Blick auf die beiden Wasserkraftwerke am Hochrhein – links das Schweizer Ufer, rechts das Kraftwerk in Wyhlen, wo nun eine Wasserstoff-Anlage entstanden ist. Foto: Energiedienst

Unternehmen und Forschungsinstitute erzeugen an einem Kraftwerk am Hochrhein aus Ökostrom Wasserstoff für Brennstoffzellenautos. Ein besonderer Kniff soll helfen, die Kosten für den grünen Kraftstoff zu senken.

Stuttgart - Die Energiewende hat in Wyhlen, an der Grenze zur Schweiz, schon vor mehr als 100 Jahren begonnen. Damals wurden an beiden Ufern des Rheins Wasserkraftwerke errichtet, die noch heute zuverlässig CO2-freien Strom liefern. Nun entsteht auf der deutschen Seite des Flusses ein weiteres womöglich wegweisendes Projekt. Im südlichsten Ort Baden-Württembergs wird aus Wasserkraft Wasserstoff. Dazu hat der Versorger Energiedienst in einer unscheinbaren Betonhalle eine sechs Millionen Euro teure Anlage mit einer Leistung von einem Megawatt bauen lassen. Das Verfahren, das dort zum Einsatz kommt, ist sogar noch älter als die Stromerzeugung am Hochrhein: Per Elektrolyse wird Wasser aufgespalten – in Sauer- und Wasserstoff. Verwendet man dazu Ökostrom wie in Wyhlen, dann ist der Wasserstoff klimaneutral.

Das Gas soll in Zukunft Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben und damit zu einer sauberen Mobilität beitragen. Eine halbe Tonne Wasserstoff könne die Anlage täglich produzieren. „Das entspricht dem, was rund 1000 Brennstoffzellenfahrzeuge durchschnittlich am Tag benötigen“, erklärt Energiedienst-Chef Martin Steiger. Noch ist es aber nicht so weit. Noch verkauft die EnBW-Tochter den grünen Wasserstoff an die chemische Industrie, die ihn etwa für die Produktion von Düngemitteln, benötigt. Doch Verhandlungen mit Betreibern von Wasserstofftankstellen liefen bereits, betont ein Sprecher. Zudem sei man mit einer Initiative im Gespräch, die die Kandertalbahn, eine alte Zugstrecke in der Region, reaktivieren will – womöglich mit einem Brennstoffzellenzug.

Vier renommierte Forschungsinstitute aus dem Land sind am Projekt beteiligt

Projekte unter dem Schlagwort „Power-to-Gas“ (Strom zu Gas) gibt es bereits mehr als zwei Dutzend in Deutschland. Doch dem Vorhaben des Energieversorgers und seiner Partner hat der frühere Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) den Status „Leuchtturmprojekt“ verliehen – und dafür 4,5 Millionen Euro Förderung lockergemacht. An diesem Donnerstag reist nun seine Nachfolgerin, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), an die Schweizer Grenze zur Einweihung der Anlage. Sie hatte immer wieder gefordert, nicht ausschließlich auf Elektromobilität zu setzen, sondern auch erneuerbare Kraftstoffe wie Wasserstoff einzusetzen. „Mit der Power-to-Gas-Anlage in Wyhlen“, lobt sie nun, „ist ein Vorzeigeprojekt für die Energiewende in Baden-Württemberg entstanden.“ Vier renommierte Forschungsinstitute aus dem Land sind daran beteiligt, darunter das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW). Hinzu kommen, neben Energiedienst, sieben weitere Partner aus der Wirtschaft etwa der Gasnetzbetreiber Terranets BW oder die Daimler-Tochter Nucellsys, ein Entwickler von Brennstoffzellen- und Tanksystemen. Sie alle wollen Power-to-Gas gemeinsam weiterentwickeln. „Es geht konkret darum, die Effizienz der Elektrolyse zu steigern und die Herstellungskosten zu senken“, erläutert der ZSW-Wissenschaftler und Leiter des Projekts, Marc-Simon Löffler. Auch Hoffmeister-Kraut betont dieses Ziel: „Wir benötigen dringend Demonstratoren wie in Grenzach-Wyhlen, die Power-to-Gas aus dem Labormaßstab holen und den wirtschaftlichen Betrieb dieser Technologie zeigen.“

Zu Beginn dieser Dekade hatte es einen regelrechten Power-to-Gas-Hype gegeben

In der Tat hat vor allem die fehlende Wirtschaftlichkeit die Technologie in den vergangenen Jahren ausgebremst. Dabei hatte es noch zu Beginn dieser Dekade einen regelrechten Power-to-Gas-Hype gegeben. Viele Energieexperten sahen in der Umwandlung von Ökostrom zu Wasserstoff – und in einem weiteren Schritt zu Methan – die Lösung für eine der drängendsten Probleme der Energiewende: der Speicherung von Ökostrom. Das Prinzip: In Zeiten, in denen wetterbedingt mehr Strom aus Sonne und Wind produziert als verbraucht wird, wandelt man Strom in Gas um. Das lässt sich dann im Erdgasnetz speichern, bevor es zum Heizen oder aber als grüner Kraftstoff zum Einsatz kommt. Und wenn einmal längere Zeit kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, kann das Gas auch wieder verstromt werden. So weit, so genial. Kritiker jedoch verweisen darauf, dass es gar nicht genug überschüssigen Strom gebe, zu viel Energie bei der Umwandlung verloren gehe und eben die Kosten zu hoch seien.

Wasserstoff-Herstellung soll ein Geschäftsmodell werden

Befürworter fordern indes mehr politische Unterstützung; die Bundesregierung müsse Speichertechnologien von bestimmten Gebühren befreien, die jeder Stromkunde zahlen muss, sofern er kein Großunternehmen ist. Genau hier setzt nun das Wyhlen-Projekt an, denn weil Energiedienst Wasserstoff mit seinem eigenen Strom direkt auf dem Kraftwerksgelände herstellt, fallen weder Netzentgelte noch die EEG-Umlage an. Dadurch halbieren sich laut ZSW-Forscher Löffler die Kosten auf rund fünf Euro für ein Kilo grünen Wasserstoff. Auch wenn der Wasserstoff vom Rhein damit immer noch doppelt so teuer ist wie fossiler, sei die Kostensenkung bereits die Basis für ein Geschäftsmodell, sagt der Energiedienst-Sprecher.

Parallel zum Wyhlen-Projekt treibt Energiedienst sein Engagement für alternative Antriebe weiter voran. Rund 30 Kilometer Rhein aufwärts, im schweizerischen Laufenburg, will der Versorger Ende kommenden Jahres zusammen mit Audi mit Wasserkraft Wasserstoff und daraus wiederum grünen Diesel herstellen – vielleicht das nächste wegweisende Projekt am Ufer des Hochrheins.