Das Ensemble in der neuen Show „Noir“ im Friedrichsbau. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Ein Skandal ist’s nicht, aber die neue Show „Noir“ im Friedrichsbau Varieté sorgt für hitzige Gespräche über das Eine: Ein Penis wird für die Blicke des Publikums freigegeben. Vor der Premiere wurde hinter den Kulissen kontrovers diskutiert, ob man so weit gehen kann.

Stuttgart - Es war die Zeit der Avantgarde, der Provokation, der kulturellen Experimente, der Lebenslust. Nach dem Ersten Weltkrieg wollten sich die Menschen aus Not und Angst befreien. Sie suchten Zerstreuung und waren scharf auf Abenteuer. Rauschende Partys sind gefeiert worden. Diese Ära ist ein Erfolgsgarant für das Friedrichsbau Varieté. Nun also führt die Zeitreise erneut zurück in jene wilden Jahre, die ein Tanz auf dem Vulkan waren – 100 Jahre später heißt der Vulkan Corona. Ins Ensemble der Frivolitäten und erotischen Andeutungen mischt sich auf dem Pragsattel der tollpatschige Jongleur Edgar Falzar aus Frankreich – und er ist’s, über den das Premierenpublikum (dabei: von OB Frank Nopper bis Ballett-Legende George Bailey, von Modedesigner Tobias Siewert bis zur „Soko“-Ermittlerin Astrid Fünderich, von Festwirtin Sonja Merz bis zur Fernsehmoderatorin Tatjana Geßler) am Ende am meisten spricht. Denn er geht bis zum Äußersten.

Das Publikum sieht mehr, als es vielleicht sehen will

Etliche machen sich bei „Noir“ nackig – doch nur einer tut’s vollständig. Der Comedy-Artist jongliert mit Keulen und ist so trottelig, dass er gar nicht bemerkt, wie er die Hose verliert. Dann rutscht auch noch die Unterhose runter. Das Publikum sieht mehr, als es vielleicht sehen will. Die Überraschung ist geglückt. Es gibt spitze Schreie, Applaus und viel Gelächter. Der Franzose geht weiter, als die Chippendales jemals wagen würden, die am Ende ihre Blöße immer verdecken.

„Sonst gibt es immer was für Männer zu sehen“

Schon in kleinen Clubs hat Edgar Falzar diese Nummer gezeigt, aber noch nie auf einer großen Bühne vor über 200 Menschen. „Wir haben vor der Premiere lange darüber diskutiert, ob wir so weit gehen können“ , sagt Varieté-Intendant Timo Steinhauer hinterher. Er sei dagegen gewesen. Doch der Chef wurde überredet, weil die Szene alles andere als erotisch sei, sondern eben nur pure Comedy.

Extra für diesen Auftritt sind die beiden Garderobenfrauen in den Theatersaal gegangen. Wie fanden sie ihn? „Sonst gibt es immer was für Männer zu sehen“, lautet die Antwort. Die Gleichberechtigung verlange nach Mutigem. Nach der Premiere gehen die Meinungen über den Comedy-Striptease weit auseinander. Die Geister scheiden sich. „Das passt zu den 1920ern, in denen die Provokation ganz wichtig war“, hört man. Aber auch: „Das war geschmacklos und völlig unerotisch.“ Ob die Nummer in dieser Form in der Show bleibt oder Edgar Falzar künftig zum Tragen einer Unterhose verdonnert wird, soll in Ruhe beraten werden, sagt Intendant Steinhauer.

Die Premierengäste sind begeistert von der neuen Show

Nicht nur deshalb ist unklar, was die Show „Noir“ noch bringt. Wie werden sich die steigenden Inzidenzen auf den Besuch im Friedrichsbau auswirken? Kommt 2 G plus Test wie beim Weihnachtsmarkt – und kommt dann auch noch das Publikum ins Theater? „Für die nächsten Wochen sind wir gut gebucht“, sagt Timo Steinhauer. Dies könnte auch daran liegen, dass in diesem Jahr das Palazzo erneut ausfällt. Doch gleichzeitig wird seit Tagen eine Betriebsweihnachtsfeier nach der anderen abgesagt.

Bei der Premiere sind die Gäste begeistert von der neuen Show. Das Programm „Noir“ führt tief in die Nächte der 1920er. Das Ensemble verzaubert, auch wenn die Meinungen zum „Penisalarm“ auseinandergehen.