Malika Ghalem Ahmed liebt ihren Beruf; die Küchenutensilien sind fast so groß wie sie. Foto: Julia Schuster

Wenn jede Stunde eine Geschichte erzählt, hat der Tag 24 Geschichten. Eben diese erzählen wir in einer Serie. Von 14 bis 15 Uhr sind wir in der Uni-Mensa in Vaihingen – aber nicht zum Essen, sondern zum Aufräumen.

Vaihingen - Sie ist der Treffpunkt aller Studenten und Mitarbeiter der Universität Stuttgart auf dem Campus Vaihingen: die Mensa am Pfaffenwaldring 45. Während der Vorlesungszeit bilden sich vor Pasta, Salat und Flammkuchen lange Schlangen. Oft reichen sie bis ins Foyer. Werktags gehen in der Unikantine bis zu 6000 Teller über die Theke, im Speisesaal brummt es wie in einem Bienenstock. Von 14 Uhr an wird es schlagartig ruhiger: In einer Viertelstunde wird die Mensa für heute ihre Pforten schließen. Die letzten hungrigen Nachzügler zieht es an die Pastatheke. Das Küchenpersonal atmet auf, denn um 15 Uhr heißt es dann nach achteinhalb Stunden endlich Feierabend.

Hier herrschen andere Dimensionen

Eine der Küchenhilfen ist Malika Ghalem Ahmed. Die 47-jährige Stuttgarterin spritzt mit einem Wasserschlauch eine große Fritteuse ab, die eher einem langen Schlauch aus Metall als einem Küchengerät gleicht. 400 Kilogramm Pommes kann man damit frittieren. In der Großküche herrschen andere Dimensionen als vorm heimischen Herd. „Wir sind gigantisch“, sagt Ghalem Ahmed mit Blick auf die riesigen Kochlöffel und Schneebesen und lacht. Das Küchenzubehör reicht ihr von den Füßen bis zur Brust.

Mittags kümmern sich zwanzig Personen vor und hinter den Kulissen um warme Mahlzeiten. Ghalem Ahmed ist an der Essensausgabe eingeteilt. „Ich bin ein Mensch, der sich gerne mit den Leuten unterhält, deshalb mag ich die Ausgabe“, sagt die Küchenhilfe. Heute war sie für die Pommes zuständig, portionierte die Teller und orderte gleichzeitig bei Bedarf frischen Nachschub aus der Küche. „60 Kilogramm Pommes habe ich verkauft“, sagt die Stuttgarterin. Jetzt steht die Fritteuse still, das benutzte Fett hat sie bereits in zwei großen Tonnen abgefüllt. Neben kleineren Beilagen wie Pommes bietet die Mensa des Studierendenwerks täglich fünf kostengünstige Gerichte an. Hinzukommen Grilltheke, Buffet, Salatbar und Pizza. Durchschnittlich zahlen Studenten und Mitarbeiter der Hochschulen zwischen zwei und vier Euro für ihr Essen, Gäste werden für ein paar Euro mehr satt.

Aufgabenteilung wie bei den Bienen

Pünktlich um 14.15 Uhr verriegeln die Mitarbeiter alle Eingangstüren. Das Geschirrband stoppt, und die Essensausgaben schließen. Die Mitarbeiter fahren die Wärmevorrichtung für die Speisen herunter. Jetzt beginnt das Aufräumen und Putzen, damit am nächsten Tag alles sauber und an seinem Platz ist. Das Personal wischt die Dampfgarer mit Lappen aus, spült Küchenutensilien oder reinigt die Servierwägen. Der Boden ist nass und rutschig, Ghalem Ahmed hat sich zum Putzen weiße Gummistiefel angezogen. „Wir sind hier viele Leute, aber jeder hat eine Aufgabe, wie bei den Bienen“, sagt sie. Jeder Mitarbeiter ist für einen Bereich verantwortlich. Ist man mit seinem Bereich fertig, hilft man den anderen aus. In der Küche, das merkt man, halten alle zusammen.

„Wir kochen und servieren jeden Tag frisch“, sagt Ghalem Ahmed. Das Geheimnis sei die Portionierung – es wird immer nur so viel gekocht, wie auch Andrang in der Mensa herrscht. Anstatt viel vorzukochen, bestellen sie lieber bei den Köchen öfters Nachschub. So will das Personal es vermeiden,unnötig Lebensmittel wegzuwerfen. Leicht verderbliches Essen wie Salate und Nachtisch entsorgen die Mitarbeiter, andere Produkte werden verwertet. So entstehen beispielweiße aus alten Brotscheiben Knödel für den nächsten Tag.

Seit fast sechs Jahren arbeitet Ghalem Ahmed schon in der Uni-Mensa am Pfaffenwaldring. Schlechte Tage kennt sie nicht. „Man sieht mich hier jeden Tag lachen. Mir gefällt das Klima“, sagt sie. Nach dem Ausgabestopp sitzen die letzten Kunden vor ihrem Mittagessen. Ghalem Ahmed geht die Tischreihen durch, grüßt Gäste. Viele von ihnen kennt die Frau persönlich. Sie schätzt, dass 70 Prozent ihrer Kunden Studenten sind, allerdings nicht nur. „Hierher kommen auch Mitarbeiter der Universität, Nachbarn, Rentner und Hartz-4-Empfänger“, sagt die Küchenhilfe. Momentan sei aufgrund der vorlesungsfreien Zeit nicht so viel los, aber manche Studenten blieben wegen der Prüfungen in Stuttgart.

Fundsachen auf dem Geschirrband

„Wir sind kein Fünf-Sterne-Restaurant, aber wir kochen gutes Essen“, sagt Ghalem Ahmed über ihre Mensa. Der Kunde sei bei ihnen König. „Die Leute sind zufrieden mit uns“, sagt die Stuttgarterin. Das merkt sie, wenn die Gäste lachen und einen guten Tag wünschen. Apropos Wünsche: Die versucht die Küche immer zu erfüllen. „Der Kunde geht hier nie ohne Essen raus“, sagt Ghalem Ahmed und klingt dabei stolz. 1500 Plätze bietet die Mensa gleichzeitig. Zu Stoßzeiten ist es manchmal schwer, einen Platz zu finden, in der vorlesungsfreien Zeit ist es deutlich leerer. Sind die Studenten mit dem Essen fertig, stellen sie ihre Tabletts auf das Geschirrband. Nicht selten hat hier schon ein Gast etwas verloren. „Die lasse echt alles auf ihren Tabletts: Handy, Schlüssel, Geldbeutel“, sagt Ghalem Ahmed. Weg kommt aber nichts – das Band führt nämlich direkt in die Spülküche.

Und das beliebteste Gericht? Ghalem Ahmed mag sich nicht auf ein Essen festlegen, aber sie kennt natürlich die Favoriten ihrer Kunden. „Das sind Schnitzel mit Pommes, Gulasch mit Spätzle und Linsen mit Saiten“, sagt Ghalem Ahmed. Die kulinarische Top drei zeigt sich damit also von ihrer schwäbischen Seite. Immerhin sind die Studenten nicht nur zum Lernen nach Stuttgart gekommen, viele nehmen sich die schwäbische Metropole auch als Wahlheimat zu Herzen. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen.

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