Olaf Scholz im Deutschen Bundestag, Oktober 2023. (Symbolbild) Foto: Juergen Nowak/ Shutterstock

Was passiert, wenn der Bundestag aufgelöst wird? Bedeutet es, dass Deutschland ohne Regierung dasteht? Erklärung zu diesem politischen Mittel.

Die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Neuwahlen anzustreben, nachdem die Ampel-Koalition zerbrochen ist, wirft viele Fragen zur möglichen Auflösung des Bundestags auf. Nach aktuellem Stand sollen die Neuwahlen am 23. Februar 2025 stattfinden. Ein solcher Schritt ist ein bedeutender Eingriff in das politische System Deutschlands und bringt zahlreiche rechtliche und politische Herausforderungen mit sich.

 

Was bedeutet die Auflösung des Bundestags?

In Deutschland ist die Auflösung des Bundestags ein seltenes und historisch bedeutsames Ereignis. Es ist kein gängiges Mittel der politischen Auseinandersetzung, sondern ein außergewöhnlicher Schritt, der nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist.

Laut Artikel 68 des Grundgesetzes kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen, wenn der Bundeskanzler eine Vertrauensfrage stellt und diese nicht die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten erhält. Die Idee dahinter ist, die Handlungsfähigkeit der Regierung zu gewährleisten und die Wählerschaft in Situationen starker politischer Blockaden ggf. neu entscheiden zu lassen.

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Auflösung des Bundestags: Hat Deutschland dann keine Regierung mehr?

Eine Auflösung des Bundestags bedeutet nicht, dass Deutschland ohne Regierung oder ohne Parlament dasteht. Auch nach der Auflösung des Bundestags bleibt die aktuelle Bundesregierung im Amt, bis sich durch Neuwahlen ein neuer Bundestag gefunden hat. Bis zur Wahl eines neuen Kanzlers ist die Regierung dann geschäftsführend im Amt.

Ebenso bleibt das Parlament, also der Bundestag selbst, bis zu den Neuwahlen handlungsfähig und Gesetzgebung ist weiterhin möglich. Die Auflösung des Bundestags bedeutet lediglich, dass die aktuelle Wahlperiode vorzeitig beendet wird und es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Erst, wenn der neue Bundestag zusammentritt, endet die Arbeit des bisherigen Bundestags.

Nach der Auflösung des Bundestags legt der Bundespräsident den Termin für Neuwahlen fest. In der Regel müssen diese innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestags stattfinden.

Wie oft wurde der Bundestag in Deutschland bis jetzt aufgelöst?

Nicht jedes Mal, wenn die Vertrauensfrage gestellt wird, wird auch der Bundestag aufgelöst. Lesen Sie in unserem passenden Artikel mehr dazu, wie oft die Vertrauensfrage bisher in Deutschland gestellt wurde

Der Bundestag wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bislang drei Mal aufgelöst:

  • 1972: Bundeskanzler Willy Brandt stellte die Vertrauensfrage, nachdem eine politische Pattsituation die Arbeit des Bundestags blockierte. Als ihm die Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen verweigerte, löste Bundespräsident Gustav Heinemann den Bundestag auf und setzte Neuwahlen an. Diese fanden am 19. November 1972 statt.
  • 1983: Bundeskanzler Helmut Kohl nutzte ebenfalls die Vertrauensfrage, um Neuwahlen herbeizuführen, obwohl er über eine Mehrheit im Bundestag verfügte. Ziel war es, eine klare Legitimation seiner Regierung durch die Wählerschaft zu erhalten. Nach intensiven Diskussionen stimmte Bundespräsident Karl Carstens der Auflösung des Bundestags zu, und Neuwahlen wurden am 6. März 1983 durchgeführt.
  • 2005: Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte die Vertrauensfrage, nachdem die SPD in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Landtagswahl verloren hatte, was Spannungen und Blockaden innerhalb seiner Partei und Regierung verstärkte. Bundespräsident Horst Köhler löste daraufhin den Bundestag auf, und die Neuwahlen fanden am 18. September 2005 statt.

Diese drei Ereignisse sind die einzigen Male, in denen der Bundestag seit seiner Gründung aufgelöst wurde. In allen Fällen war die Auflösung des Bundestags ein Mittel, um politische Blockaden zu überwinden und eine stabile Regierungsarbeit zu ermöglichen.