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Führerschein-Nachschulung? Das passiert doch nur Verkehrsrowdys, oder? Weit gefehlt! 

Stuttgart - Führerschein-Nachschulung? Das passiert doch nur Verkehrsrowdys, oder? Nikolai Glaser weiß, wie schnell man in so einem Aufbauseminar für Fahranfänger (ASF) landen kann - und warum man dort vor allem männliche Teilnehmer trifft. Wer um alles in der Welt nimmt den an einem ASF-Kurs teil? Also an einem Kurs für verkehrsauffällige Fahrer? Ich! Und das ging ziemlich schnell. Man schaut beim Linksabbiegen nur flüchtig, meint alles gesehen zu haben und hat dann doch was übersehen. Dabei fahre ich nicht einmal besonders provokant oder schnell. Ich war nur etwas unaufmerksam. Hatte ein wenig Pech.

Um den Führerschein behalten zu dürfen, muss man als Fahranfänger in der Probezeit an einer Nachschulung teilnehmen. Für vier Abende und eine Beobachtungsfahrt heißt es dann wieder: Zurück in die Fahrschule.

In meinem Kurs sind insgesamt zwölf auffällige Fahranfänger. Ihre typischen Vergehen: Zu schnelles und zu unvorsichtiges Fahren. Ihr Unrechtsempfinden über diese Vergehen: Sehr unterschiedlich. Hört man ihnen zu, klingt das oft so: Die Polizei hat den Fehler gemacht, die Ampel war gar nicht rot und zu schnell waren auch alle anderen. Die Abende empfinden die meisten als Strafe. Sie kosten viel Zeit und Geld. Zusätzlich zur Nachschulung hat sich auch noch die Probezeit um zwei Jahre verlängert. Darüber ist der Ärger oft so groß, dass nur wenige die Gelegenheit nutzen, den eigenen Fahrstil zu überdenken.

Besonders bei den männlichen Kursteilnehmern fällt es Kursleiterin Inga Herthen (Name geändert) schwer, Einsicht in ihr Fehlverhalten festzustellen. Und das, obwohl sie in den Kursen mit neun zu drei Teilnehmern deutlich überrepräsentiert sind. Wie kommt es zu solchen Unterschieden?

Herthen erklärt es sich über die männliche Psyche. Die sei viel mehr auf Balz und Prahlerei fixiert als die weibliche. Männer würden sich meist mehr über ihre Autos und ihren Fahrstil definieren als Frauen. Sie versuchen andere damit zu beeindrucken. Ganz wie es die beliebten Klischees wollen, ist das Auto für viele eben doch ein Männlichkeitsbeweis und der Fahrstil - je provokanter desto besser - ebenfalls.

Nach mehr als 70 Kursen, die Herthen geleitet hat, sieht sie vor allem bei Männern ein immer wiederkehrendes Täterbild: Es sind meistens Schrauber und Autofans mit viel Freude am schnellen Fahren und wenig Erfahrung. Sie sitzen in den Kursen, weil sie rote Ampeln überfahren oder die Geschwindigkeit überschritten haben. Oft wirken auch noch Aggressionen auf den Fahrstil ein. Fehleinschätzung von Verkehr und Auto machen die andere, kleinere Gruppe aus, zu der vor allem Frauen gehören.

Nachsitzen für Fahranfänger

Herthen versucht als Kursleiterin dort anzusetzen, wo das Kernproblem der Fahrer liegt: bei der fehlenden Selbstreflexion des eigenen Fahrstils. Dazu nimmt sie die Fälle der Teilnehmer auf und lässt sie anschließend analysieren. Ihr geht es darum, den Teilnehmern ihren Fahrstil und dessen Risikopotenzial bewusst zu machen.

Und so erstellen wir zunächst eine Skizze der erlebten, gefährlichen Situation. Dann werden gemeinsam Gründe gesucht, wie es dazu kommen konnte. Als Nächstes werden Verhaltensweisen gesammelt, mit denen man die Situation hätte verhindern oder besser kontrollieren können. Auffällig ist, dass es vor allem Gefühle sind, die den Fahrstil beeinflussen. Wie aber lernt man diese unter zu Kontrolle zu halten? Vor allem für Männer ist das der schwierigste Teil des Kurses.

Das zeigt sich auch bei der Beobachtungsfahrt: Vier Kursteilnehmer fahren dabei für jeweils zwanzig Minuten mit der Fahrlehrerin. Am Ende müssen sie sich der Kritik und den Beobachtungen der anderen stellen. Hatten sie ihre Emotionen immer im Griff? Haben sie begriffen, dass man mit einem rasanten Fahrstil zumindest den meisten Frauen überhaupt nicht imponieren kann?

Vier Treffen, neun Unterrichtsstunden und eine Beobachtungsfahrt später ist das ersehnte Kursziel erreicht. Selbst jetzt wollen nur wenige zugeben, dass ihnen der Kurs geholfen hat und sie ihren Fahrstil überdenken und ändern wollen.

Inga Herthen hat in ihren zwanzig Fahrlehrerjahren festgestellt, dass trotz des Kurses viele Teilnehmer wieder zu ihrer alten Fahrweise zurückkehren. Rund ein Drittel der Männer wird nach so einem Kurs innerhalb der Probezeit wieder auffällig, bei den Frauen sind es 15 Prozent. Offenbar ist das Auto wirklich eine männliche Problemzone.