Nackter Beton: Oben noch ohne Fenster präsentiert sich der Gewa-Tower in Fellbach. Foto: Patricia Sigerist

Das mit Spannung erwartete Bauzustandsgutachten für den insolventen Wohnturm in Fellbach liegt vor. Demnach konnte der vergangene Winter dem offenen Rohbau nichts anhaben.

Fellbach - Es gibt gute Neuigkeiten für die Anleihegläubiger des Gewa-Towers in Fellbach. Der Wohnturm im Osten der Stadt ist zwar längst noch nicht fertig, er hat aber, wie die jüngste Überprüfung durch Fachleute des TÜV ergab, keine baulichen Mängel. Die oberen Stockwerke des 107 Meter hohen Rohbaus sind noch ziemlich zugig, ein bloßes Betongerippe ohne Fenster, Türen, Zwischenwände. Doch der nun fast schon einjährige Baustopp sowie Kälte und Eis des vergangenen Winters haben ihm offenbar nichts anhaben können.

Die Gutachter vom TÜV Süd kommen in ihrer umfangreichen Analyse zum Ergebnis: „Es sind keine Mängel vorhanden, die einen wesentlichen Rückbau oder eine wesentliche Reparatur erforderlich machen.“ Dies berichtet der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Diese Nachricht wird bei den heftig gebeutelten Gläubigern der insolventen Finanzierungsgesellschaft – die Geldanleger mit Besitz von Anteilen der Finanzierungsanleihe im Volumen von 35 Millionen Euro sowie bei den Käufern von bisher 44 Turmwohnungen zum Preis von 3200 bis 7800 Euro pro Quadratmeter – die Herzen schneller schlagen lassen. Es bedeutet, dass die Verkaufsverhandlungen mit den Interessenten für einen Weiterbau Auftrieb erhalten.

Aussichtsreife Gespräche um den Verkauf des halbfertigen Towers

Durch das Ergebnis des Gutachtens steigt die Chance, dass das angelegte Geld nicht ganz verloren ist, dass in einer nicht zu fernen Zukunft wenigstens ein Teil zurückfließt und die Wohnungskäufer endlich ihr Traum-Apartment mit dem atemberaubenden Fernblick ins Remstal und über Stuttgart bis zum Fernsehturm beziehen können. Ilkin Bananyarli formuliert: „Das Gutachten zeigt, dass der Turm keine wesentlichen Mängel hat. Die Ergebnisse des Gutachtens sind eine wichtige Grundlage für die Verkaufsverhandlungen. Hierzu führe ich derzeit aussichtsreiche Gespräche mit Investoren und stehe in engem Austausch mit dem neuen gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger.“

Der vorläufige Insolvenzverwalter bekräftigt seine schon kürzlich geäußerte Hoffnung: „Ich bin optimistisch, dass wir noch in diesem Jahr den Gewa-Tower veräußern werden.“ Es ist seine Aufgabe, „die beste Lösung für die Gläubiger zu erzielen“.

Auch mögliche Investoren haben auf das Bauzustandsgutachten gedrängt

Das Bauzustandsgutachten hat eine wichtige Funktion im Ringen um eine Zukunft für den Pleite-Turm. Nicht nur die Anleihegläubiger und der Insolvenzverwalter wollen ganz genau wissen, woran sie mit dem Gewa-Tower sind, wie weit das bisher noch traurig graue Betonstück wirklich gediehen und damit wert ist. Die Expertise seines Architekten Jörg Wolf reichte ihnen nicht aus. So erhofften sich manche Geldanleger auch Hinweise, ob die ausgegebenen Millionen aus der Finanzierungsanleihe im Baufortschritt vollständig zu sehen sind, ob Handwerker im Rückstand sind, ob die Rechnungen des Generalunternehmers Baresel GmbH zu Recht so hoch ausfielen. Schließlich war es ja eine nicht bezahlte Forderung über sechs Millionen Euro, die der Finanzierungsgesellschaft Gewa 5 to 1 GmbH und Co. KG im November vergangenen Jahres das Genick brach. Antworten auf diese Fragen gibt Insolvenzverwalter Bananyarli bisher nicht. „Das Gutachten ist Gegenstand der laufenden Verhandlungen mit Interessenten. Deswegen können wir derzeit keine weiteren Details zu den Inhalten des Gutachtens bekanntgeben.“

Insbesondere haben auch die beiden Investorengruppen, die ihr Geld zur Vollendung des Turms einsetzen wollen, darauf gedrängt, von unabhängigen Gutachtern eine zuverlässige Einschätzung über den tatsächlichen Bauzustand zu bekommen. Der vorläufige Insolvenzverwalter Ilkin Bananyarli hat, um das Gutachten beauftragen und bezahlen zu können, sogar einen Kredit zur Zwischenfinanzierung aufgenommen. Denn in der Kasse der Schuldnerin Gewa 5 to 1 herrscht seit der Flut von Rechnungen praktisch Ebbe. Sie hat, wie berichtet, bereits im November vergangenen Jahres Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Esslingen hat danach Ilkin Bananyarli eingesetzt, um überhaupt erst mal zu klären, ob es für ein Insolvenzverfahren genügend Masse, das heißt einen Wert, der zu Geld zu machen ist, gibt. Mindestens die Kosten des Verfahrens, das sind hauptsächlich Kosten und Aufwand des Insolvenzverwalters, müssen vorhanden sein.

Ohne Mängel ist auch das ebenfalls nicht fertiggestellte angrenzende Hotel

Das Baugutachten, das der vorläufige Insolvenzverwalter von der Pluta Rechtsanwalts GmbH fristgerecht erhalten hat, beweist nun auch dass der Rohbau werthaltig ist, ohne dass der Preis einer Mängelbeseitigung abgezogen werden müsste. Einen angemessenen Preis für das halbfertige Wohnhochhaus zu ermitteln, war nicht seine Aufgabe. Rechtsanwalt Bananyarli sagt es so: „Damit liegt nun eine Analyse eines unabhängigen Gutachters vor und eine gutachterliche Feststellung über die bisher erbrachten Leistungen sowie die bautechnischen Mängel“, sagt Bananyarli. Diese Feststellung gilt auch für den zugehörigen, ebenfalls mitten in den Arbeiten gestoppten Hotelneubau an der Schorndorfer Straße, wie Bananyarlis Sprecher Patrick Sutter auf Anfrage klarstellt.

Die erhaltenen Nachweise wird der vorläufige Insolvenzverwalter für die Preisfeststellung in den Verhandlungen mit den beiden Investoren oder Investorengruppen nutzen können, die bisher Absichtserklärungen für einen Kauf und Weiterbau des Towers abgegeben haben. Diese beiden namentlich immer noch nicht genannten Investoren haben im Gegensatz zu weiteren Interessenten bereits eine stattliche Summe als Kaufpreis genannt: Bis zu 15 Millionen Euro wollen sie bezahlen und bei guter Vermarktung der noch unverkauften 22 Hochpreis-Wohnungen in den Stockwerken 22 bis 34 eine Schippe für die Anleihegläubiger drauflegen. Beim beauftragten Immobilienmakler haben sich freilich gerade diese Luxusangebote bisher als pure Ladenhüter entpuppt.

Auch wenn nun der anfangs drohende Totalverlust der Anleihe wohl abgewendet zu sein scheint: Die Anleihegläubiger können sich nur mit halbem Herzen freuen. Es wird nun zwar voraussichtlich keine negative Überraschung bei den Baukosten durch Reparaturen und Rückbauten mehr geben, aber das Gesamtvolumen einschließlich des Business-Hotels mit 123 Zimmern in der Umrandungsbebauung ist in der Zeit des Baustopps bereits von 61,5 Millionen auf mindestens 63 Millionen Euro geklettert. Wenn es bei den von den Investoren angebotenen Kaufpreisen bleibt, bedeutet dies für die Anleihegläubiger vorerst immer noch einen herben Schuldenschnitt in Höhe von etwa 60 Prozent. Das heißt, die Anleger, die auf jährliche Zinsen von 6,5 Prozent hofften, erhalten in der Realität nicht einmal die Hälfte ihres Einsatzes zurück.

Gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger unterstützt die Verkaufsverhandlungen

Das ist immer noch besser als nichts. Der vor kurzem gewählte neue gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger Gustav Meyer zu Schwabedissen von der Kanzlei „mzs Rechtsanwälte“ kommentiert deswegen: „Der Wohnturm ist in einem guten Zustand. Das ist eine gute Nachricht für die Anleihegläubiger.“ Er kündigt an: „In den kommenden Wochen werde ich die Verkaufsverhandlungen bestmöglich unterstützen.“ Einen Pluspunkt haben die Bemühungen um die Rettung der Tower-Ruine nach kurzem Juristenstreit wieder: „Alle Beteiligten ziehen an einem Strang“, sagt Gustav Meyer zu Schwabedissen. „Das ist sehr positiv.“