Manuela Lüftl ist Spitzenforscherin beim Technologiekonzern Siemens – über 40 Patente gehen auf ihr Konto. Foto: Siemens

Die Unternehmen wollen sich mit Erfindungen aus der Krise retten. Die Anmeldungen beim Europäischen Patentamt erreichen mit 257 744 ein Rekordniveau. Zwar setzen Firmen wie Bosch zunehmend auf weibliche Forscher. Trotzdem sind Erfinderinnen die Ausnahme.

Stuttgart - Ausgerechnet Prinz Charles hat einmal gesagt: „Das Vertrackte an guten Ideen ist, dass sie meist in Arbeit ausarten.“ Wenn er recht hat, dürfte die Arbeit in der Krise nicht ausgehen. Allerdings gilt das nicht für Männer und Frauen gleichermaßen: Das Europäische Patentamt meldet für 2012 Rekordzahlen. Insgesamt gingen bei der Behörde im vergangenen Jahr 257.744 Anmeldungen ein. Das ist eine Steigerung von 5,2 Prozent gegenüber 2011.

13,3 Prozent der Anträge kamen 2012 aus Deutschland. Doch allen Bemühungen zum Trotz, Frauen hierzulande verstärkt für technische und forschungsintensive Berufe zu begeistern, ist die Zahl der weiblichen Patentanmelder eher gering und steigt nur langsam. Nach Untersuchungen von Sabrina Weber und Ulrike Busolt von der Hochschule Furtwagen lag die Zahl der weiblichen Patentanmelder aus Deutschland in den Jahren 2006 und 2008 nur bei sieben Prozent (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor). Das Patentamt führt keine Statistik zum Geschlecht der Anmelder. Darum werten die Wissenschaftler bei ihren Studien die Vornamen der Forscher aus. Die Erfolgsquote bei der Geschlechterzuordnung per Vorname liegt in Deutschland bei 99 Prozent.

Der Stuttgarter Technologiekonzern Bosch setzt schon seit Jahren auf das kreative Potenzial sogenannter gemischter Teams. Und landet mit dieser Strategie auf Platz sechs der Rangliste des Europäischen Patentamts. „Männer und Frauen haben unterschiedliche Herangehensweisen und Blickwinkel“, sagt Andrea Urban, Spitzenforscherin bei Bosch. „Frauen denken oft stärker an jedes kleine Detail, wenn es um Problemlösungen geht.“ Andrea Urban hat in den 1980er Jahren in Aalen Oberflächen- und Werkstofftechnik studiert. Heute arbeitet die 45-Jährige in der Verfahrensentwicklung und Prozesstechnik für Mikrosensoren in Reutlingen. Sie hat an über 100 Patenten des Technologiekonzerns mitgewirkt.

Forscherinnen hierzulande unterrepräsentiert

Andrea Urban revolutionierte die Produktion von Chips, die in Handys, Computern und Autos verbaut werden. Ihren Sensoren ist es beispielsweise zu verdanken, dass die A-Klasse des Autobauers Daimler schließlich doch noch den Elchtest bestand.

Doch Frauen wie sie sind die Ausnahme. Der Innovationsindikator der Deutschen-Telekom-Stiftung und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) bemängelt, dass Forscherinnen hierzulande unterrepräsentiert sind. „Besonders niedrig ist der Frauenanteil in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen deutscher Unternehmen“, heißt es. Dort seien zuletzt nur 13 Prozent der Forschenden weiblich gewesen. Nur in Taiwan, Japan und Südkorea sei der Frauenanteil niedriger.

Bei Bosch liegt der Frauenanteil in der weltweiten Zentralforschung mit 1300 Mitarbeitern immerhin bei 17 Prozent. Das ist ein Anstieg um zwei Prozent seit 2010.

Der Münchner Technologiekonzern Siemens verzeichnet in Forschung und Entwicklung einen Frauenanteil von 8,7 Prozent. Eine der Ingenieurinnen ist Manuela Lüftl. Sie hat unter anderem eine energiesparende Schalttechnik für Motoren erfunden. Insgesamt gehen über 40 Patente des Konzerns allein auf ihr Konto.

„Männer sind bei der Suche nach technischen Problemlösungen oft risikobereiter“

Mädchen, die eine technische Laufbahn einschlagen wollen, macht sie Mut: „Obwohl ich am Anfang meiner Karriere noch fast allein unter Männern war, hatte ich keine Schwierigkeiten, Fuß zu fassen“, sagt die 48-Jährige. „Was in unserem Bereich zählt, ist, dass eine Idee gut ist. Ob sie von einem Mann oder einer Frau kommt, spielt dabei keine Rolle.“ Die Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen beschreibt sie als produktiv: „Männer sind bei der Suche nach technischen Problemlösungen oft risikobereiter“, sagt sie. „Sie gehen eher an die Grenze dessen, was im Bereich der Machbarkeit gesehen wird.“ Die Vorstellung, dass sich weibliche Forscher in Technologiekonzernen den Männern anpassen müssen, um erfolgreich zu sein, ist für sie ein Vorurteil: „Ich bin eine ganz normale Frau und interessiere mich für ganz normale Frauenthemen.“

Sie ist zuversichtlich, dass sich die Kreativität von weiblichen Forschern in einigen Jahren auch stärker bei Patentanmeldungen niederschlagen wird: „Im Vergleich zum Beginn meiner Karriere erlebe ich zumindest bei Siemens immer mehr Frauen in der Forschung und Entwicklung.“ Die gleiche Beobachtung hat die Bosch-Forscherin Andrea Urban gemacht.

Sieht so aus, als gebe es, um auf Prinz Charles zurückzukommen, in Zukunft doch für Männer und Frauen gleichermaßen was zu tun. Was unter Arbeit zu verstehen ist, muss jeder selbst definieren. Für den adeligen Arbeitsexperten jedenfalls gilt: „Sich hinzusetzen und nachzudenken ist eine echte Knochenarbeit.“