Deutsche Touristen gehen auf Reisen zum Spaß einkaufen. Manche Ausländer suchen beim Urlaub in Deutschland hingegen gezielt Marken.

Nach Ausflügen und dem Probieren landestypischer Spezialitäten ist Einkaufen die drittliebste Urlaubsaktivität der Deutschen. „Einkaufen ist sogar wichtiger als etwa im Meer baden“, sagt Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). Sie untersucht seit 1994 das Verhalten deutscher Touristen. In den Umfragen für die Reiseanalyse 2015 gaben 62 Prozent der Befragten an, im Urlaub gerne zu shoppen. Eine Win-win-Situation: Verreisen gilt allgemein als Belohnung - man gönnt sich die sprichwörtlich schönste Zeit des Jahres. Auch Einkaufen bereitet Freude. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass bei der Aussicht auf neue Dinge Glückshormone im Gehirn ausgeschüttet werden. Selbst Männer, für die Einkaufen oft ein eher lästiger Auftrag ist, entspannen im Urlaub und gehen brav an der Seite ihrer Frauen zum Shopping. Ein Begriff, der mehr beinhaltet als nur Einkaufen. Shopping ist „lustbetontes Schleichen durch die Geschäfte“, übersetzt der Münsteraner Hirnforscher Michael Deppe.

„70 bis 90 Prozent unserer Entscheidungen laufen unterbewusst ab“

Somit passt Shopping bestens ins Tagesprogramm eines Reisenden. „Im Urlaub wird mehr gekauft, weil man mehr Zeit hat als im Alltag“, sagt Ingo Vogel. Der Autor aus Esslingen ist Experte für emotionales Verkaufen und hat diverse Ratgeber dazu verfasst („Top Emotional Selling“, Gabal-Verlag). Vogel stützt sich auf die Erkenntnisse des Neuromarketings, einer Wissenschaft, die Hirnforschung und Marketing kombiniert. Einkaufen ist demnach ein hoch emotionaler Vorgang, gesteuert von den gefühlsaffinen Bereichen des Gehirns. „70 bis 90 Prozent unserer Entscheidungen laufen unterbewusst ab“, sagt Ingo Vogel. Im Urlaub kauft man zum Spaß, zum Zeitvertreib. Und manchmal auch aus Frust. „Viele Leute fangen an, sich im Hotel mit dem Partner zu streiten. Da geht man lieber einkaufen, statt sich weiter zu unterhalten“, sagt Ingo Vogel.

„Oft wird ein Angebotsmangel kompensiert. Wenn es regnet und sonst nichts los ist, zieht man durch die Läden“, sagt Tourismusforscher Lohmann. Shopping geht also immer - egal, ob man gut drauf ist oder mies gelaunt. Der Stellenwert, den der Ladenbummel einnimmt, variiert jedoch je nach Urlaubsart. Logischerweise ist er bei Städtereisenden besonders groß. Die Reiseanalyse der FUR unterscheidet zwischen Shoppingtouristen, die in Modemetropolen wie Mailand oder Paris reisen, um sich gezielt einzudecken, und Urlaubern, die im Vorbeigehen spontan etwas kaufen. Deutsche gehören meist letztgenannter Kategorie an. Sie finden es spannend, unterwegs Läden zu besuchen, weil sich das Angebot von dem zu Hause unterscheidet. Etwas, was man auf Reisen gekauft hat, hat den Hauch des Besonderen. Dazu muss es nicht unbedingt teuer sein. Es dient den Heimgekehrten als Erinnerung an den Aufenthalt. „Reliquie eines Erlebnisses“ nennt das der Philosoph Wolfgang Ullrich, Autor des Buches „Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur?“ (Fischer-Verlag).