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Als ihre Enkelin ganz interessiert etwas beobachtete, fiel Karin Reule automatisch der Ausdruck „sie kuschtert“ ein, und so fragt sie, woher dieser Begriff kommt.

Stuttgart - Als ihre Enkelin ganz interessiert etwas beobachtete, fiel Karin Reule aus Vaihingen / Enz automatisch der Ausdruck „sie kuschtert“ ein, und so fragt sie, woher dieser Begriff kommt. Was hier zur Untersuchung vorgeschlagen wird, ist schon ein dicker Brocken, weniger die Bedeutung , vielmehr die Herkunft und die sprachliche Entwicklung des Verbs „kustern“.

„kuschdårå“, so die schwäbische Aussprache, hat eine außergewöhnliche Vergangenheit. Die Wurzel findet sich im gotischen „kiusan“, dann im späteren althochdeutschen „chiosan“ und im mittelhochdeutschen „kiesen“. Dieses „kiesen“ bedeutet „kosten, genießen, prüfen, billigen, erwählen“. Im Grimm’schen Wörterbuch ist vermerkt: „das kosten ist das älteste mittel der prüfung, wie es noch die kinder anwenden“. Mit der Zeit kamen zum prüfenden Kosten andere Arten des Prüfens wie fühlen, sehen, wägen, denken. Daraus entstanden als weitere Bedeutungen „entscheiden, billigen, wählen“, und der letzte Begriff „wählen, erwählen, auswählen“ hat sich am längsten erhalten. Im Neuhochdeutschen ist „kiesen“ immer seltener geworden und heute ein veraltetes Wort, das jedoch im Rechtschreib-Duden noch erwähnt ist.

Ableitungen von „kiesen“ sind „koren / kören“ in der Bedeutung „kosten, schmecken“ sowie „kuren / küren“ in der Bedeutung „kostend prüfen“ und gegen Ende des 18. Jahrhunderts „wählen“. Daraus entstanden die Substantive „Kür, Kur, Chur“ (ahd. churi, mhd. kür) im Sinne von „Auswahl, Wahl“, heute noch im Gebrauch als Wahlübung im Sport (Kür) und bei Kurfürst bzw. Churfürst. Auch das Wort „erkoren“, ein Partizip des Wortes „erkiesen“, wird heute noch verwendet. Berthold Auerbach, geboren 1812 in Nordstetten bei Horb, schrieb 1846 in seinen „Schwarzwälder Dorfgeschichten“: „es wurde ein schultheisz gewählt … der Buchmaier … wurde fast einstimmig gekurt“.

Doch wie entstand das Wort „kuschdårå“? Von „kiesen“ stammt als weiteres Substantiv„Kust“, ahd. chust (Abschätzung, Auswahl), mhd. kust (Geschmack, Prüfung, Gutheißung). Dieses Kust ist sozusagen die Stammmutter unseres „kuschdårå“, worunter man „mustern, durchsuchen, untersuchen“ versteht. Und wer alle Kleinigkeiten durchstöbert, alles kritisch untersucht und ein unruhig wissbegieriger Mensch ist, wie es im Schwäbischen Wörterbuch heißt, wird ein Kuschdårår genannt. Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Gusti Bück aus Holzgerlingen. Sie schreibt: „Meine Mutter, eine echte Stuttgarterin, gebrauchte des öfteren mal den Spruch: Sitzet na, d’Stühl kommet glei!‘“

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