Zu Gast beim Stammtisch im Zeppelinstüble: Mundartautor Foto: Kovalenko

Der „Auf gut Schwäbisch“ - Stammtisch unserer Zeitung lebt von den Beiträgen und der Erzählfreude seiner Gäste. Zu ihnen zählten jetzt Mundartautor Ger- hard Raff und der Musiker Volker Mall.

Stuttgart - Woran erkennt man einen Reichen? Klar, an Vermögen und Besitz; einem Schwaben muss man das nicht sagen. Gerhard Raff besitzt in derlei Hinsicht fast nichts. Dennoch ist er reich zu nennen.

Davon gewinnen am Donnerstagabend 40 Leserinnen und Leser beim dritten „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch unserer Zeitung einen bleibenden Eindruck. Denn der Degerlocher Historiker und Schriftsteller breitet im Zeppelinstüble des Hotels Steigenberger Graf Zeppelin einen Teil seines eindrucksvollen schwäbischen Wissensschatzes aus, den er zusammengetragen hat.

Dazu kommt Raffs Talent, das Gesammelte ebenso unterhaltsam wie detailreich vorzutragen. Es genügt, dass Moderator Tom Hörner den 67-Jährigen mit einer Frage anstupft – „In welcher Zeit hätten sie gerne gelebt?“ – schon ergießt sich der Raffsche Reichtum aus Geschichte und Geschichten in den Raum. Raff schwärmt vom Federico Secondo, dem Stauferkaiser Friedrich II. (1194 -1250), den heute kaum noch ein Abiturient kenne. Einige Geschichten später ist er bei Graf Eberhard im Bart (1445 -1496), dem Gründer der Universität Tübingen, und singt ein Loblied auf dessen „blitzgescheite Mutter Mechthild von der Pfalz“ (1419- 1482), die zwei abendländische Universitäten gestiftet habe und trotzdem vergessen sei. Auch der Zeit von Herzog Christoph von Württemberg (1515 – 1568) kann Raff etwas abgewinnen. Der habe schließlich erkannt, „dass der Grips der Landeskinder der einzige natürliche Reichtum Württembergs ist“ und deshalb 1559 die allgemeine Schulpflicht eingeführt: „Deshalb konnten im Herzogtum Württemberg die Bauern schon rechnen, schreiben und lesen, als man in Berlin die Bananen noch auf den Bäumen gevespert hat und in München Bücher allenfalls als Muggenbatscher verwenden konnten.“ So unterhaltsam präsentiert Raff Geschichte – auch die von Herzog Carl Eugen (1728 – 1793), „den Weltmeister in der Produktion unehelicher Kinder“. Auf ihn geht zugleich die Hohe Karlsschule in Stuttgart zurück, „eine Universität die der Menschheit in den zwölf Jahren ihres Bestehens eine solche Fülle von Geistesgrößen, Käpsele und Tüftler geschenkt hat, dass – hätte sie weiter bestanden – die Dummheit in Württemberg vollends ausgerottet worden wäre“.

Raff „schwätzen“ zu hören, ist ein Genuss – und inzwischen auch eine Rarität. Nachdem er jahrelang ein riesiges Pensum an Vorträgen bewältigt hat, konzentriert er sich jetzt ganz darauf, seine mehrbändige Geschichte des Hauses Württemberg zu vollenden. Für die „Auf gut Schwäbisch“-Leser macht er an diesem Abend eine Ausnahme.

Wer Raff nicht hören kann, der kann ihn lesen. Die Liste seiner Bücher ist lang – beginnend mit dem Klassiker „Herr schmeiß Hirn ra“ über die „Gschicht vom Mose ond de Zehn Gebot“, die „Eiserne Ration für furchtlose und treue Württemberger“ und den „Schwäbische Juwelen“, bis zum neuesten Buch „Gerhard Raff kann auch Hochdeutsch“. Außerdem die Trilogie „Hie gut Wirtemberg allewege“.

Raff gilt als meistgelesener Mundart-Autor der Gegenwart. Müsste bei soviel Erfolg nicht auch finanziell etwas rüberkommen? Ja, aber nicht für ihn. Der Sohn einer Bauern- und Wengerterfamilie lebt bewusst einfach. Seinen Lebensunterhalt bestreitet mit seinen wöchentlichen Kolumnen in der „Stuttgarter Zeitung“. Fast alles andere spendet er. Einkünfte sind ihm wichtig, um sie weiterreichen zu können – an diesem Abend 250 Euro aus dem Bücherverkauf für die Aktion Weihnachten unserer Zeitung.

Der Reichtum des Dialekts blitzt beim dritten „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch auch an vielen anderen Stellen auf – etwa als Leserin Renate Arin aus Sindelfingen das Sebastian-Blau-Gedicht „Dr Neckar“ rezitiert – fünf Minuten wunderbarer Lautmalerei. Der gebürtige Stuttgarter Volker Mall widmet sich ebenfalls dem Rottenburger Mundartdichter. Seit 14 Jahren bestreitet der vielseitig geschulte Musiker aus Herrenberg schwäbische Programme mit Gesang und Klavier. Im Zeppelinstüble trägt Mall neben vielen anderen Stücken den Blau-Klassiker „St. Nepomuk“ vor. Ein weiteres Glanzstück aus der Schatztruhe des Schwäbischen, deren Deckel an diesem Abend kräftig angehoben wird. Der nächste „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch findet am 10. April im Zeppelinstüble statt. Wir werden in unserer Zeitung rechtzeitig darauf hinweisen.