Herr Diebold und Kollege: Michael Diebold (links) und Miha Spilek bei ihrem Auftritt im Stuttgarter Zeppelinstüble. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Leben schreibt wunderbare Geschichten. Besonders auch schwäbische. Eine handelt von Michael Diebold, der nachts um halb drei in Kairo losfliegt, um am Abend beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Stuttgarter Zeppelinstüble zu sein. Und das ist erst der Anfang der Geschichte.

Stuttgart - Wie stellen Sie sich einen Diplomaten in Diensten des Auswärtigen Amts vor? Um es kurz zu machen: Ganz sicher nicht wie Herrn Diebold!

Herr Diebold – genauer Michael Diebold aus Aalen – trägt Jeans und Weste, an den Füßen Chucks, auf dem Kopf einen verbeulten Hut – und das Herz auf der Zunge. Das einzig Anzugartige an ihm sind gelegentlich leicht anzügliche Texte.

Auch sonst spricht Herr Diebold überhaupt nicht wie ein Diplomat – jedenfalls nicht an diesem Abend im Zeppelinstüble. Er spricht vielmehr „Broide Nudla“-Schwäbisch, wie Kenner den Dialekt der rauen Ostalb bezeichnen.

Und doch ist Herr Diebold, man glaubt es nicht, ein Diplomat. Der 57-Jährige arbeitet in der deutschen Botschaft in Kairo. Zuvor war er als Auslandsvertreter in Südafrika, Madagaskar und Griechenland beschäftigt. Sein Lebensmittelpunkt liegt einige Tausend Kilometer von der Ostalb entfernt. Seit 25 Jahren schon. Und es werden noch einige Jahre mehr, denn eben erst hat er seinen Dienst in Kairo, wo er mit seiner ägyptischen Frau „grad oms Eck der Pyramiden“ lebt, um weitere vier Jahre verlängert.

„Manchmal komm ich mir vor wie Mr. Jekyll und Dr. Hyde“

Doch Michael Diebold ist halt nicht nur Diplomat, sondern auch ein Freund der schwäbischen Sprache und ein begeisterter Musiker. „Herr Diebold ond Kollega“ nennt sich seine schwäbische Band, mit der er in jeder freien Minute spielt, die er in der alten Heimat verbringt. Der Spagat zwischen Kairo und Aalen – räumlich, kulturell, und sprachlich gesehen – könnte nicht größer sein. „Manchmal komm ich mir vor wie Mr. Jekyll und Dr. Hyde“, sagt Michael Diebold. Doch irgendwie passt das für ihn.

Am Donnerstagabend tritt er mit Miha Spilek, seinem Gitarristen, vor der staunenden Stammtischrunde im Zeppelinstüble auf. Die beiden spielen zusammen, seit sie 17 sind, üblicherweise verstärkt von Alfred Krauss (Bass) und Frieder Simon (Drums). 130 bekannte Lieder haben sie inzwischen drauf. Von „Hotel California“ bis „The Wanderer“ – nur dass sie bei ihnen anders heißen: „Landgaschthof Alder Löwa“ und „Wo isch der Wanderweg“ zum Beispiel.

„Schwabenmugge an den Pyramiden“

Diebold sucht im fernen Kairo neue alte Titel aus und schreibt die schwäbischen Covertexte, die Bandkollegen daheim proben. Wenn sie sich alle paar Wochen wiedersehen, sitzen die Songs, und sie geben gemeinsam Konzerte. Das nächste an diesem Sonntag, 10. Juni, 19 Uhr, in der Gemeindehalle in Lauffen (Eintritt frei).

Letztes Jahr waren sie in Ägypten auf Tour. Unter dem Motto „Schwabenmugge an den Pyramiden“ haben sie mehreren Hundert Zuhörern in Kairo und Hurghada eingeheizt. „Die Ägypter lieben Musik“, sagt Herr Diebold – auch wenn sie das „Broide Nudla“-Schwäbisch nicht verstehen. Etwas, das sie mit den Stuttgartern gemeinsam haben.

Apropos Gemeinsamkeiten. Nächstes Jahr feiert die Landeshauptstadt 30-jährige Städtepartnerschaft mit Kairo. OB Fritz Kuhn plant, mit einer Delegation anzureisen. Herr Diebold wäre nicht abgeneigt, bei der Gelegenheit im Garten der deutschen Botschaft schwäbische Lieder zu spielen, gibt er zu Protokoll. Das wäre jetzt genau die Stelle, an der sich irgendjemand im Stuttgarter Rathaus eine Notiz machen könnte, falls man dort „Auf gut Schwäbisch“ liest . . .

„Ruf nach Freiheit“ im Botschaftsgarten

Im Botschaftsgarten von Kairo haben Herr Diebold und Kollegen übrigens schon vergangenes Jahr gespielt. Vor 600 Ägyptern, darunter Militärs und hohe Vertreter des von dem General as-Sisi autoritär regierten Staats. Ausnahmsweise sangen sie nicht nur auf Schwäbisch, sondern auch auf Arabisch: „Der Ruf nach Freiheit“ – ein verbotenes Lied, das Demonstranten während des Arabischen Frühlings auf dem Tahir-Platz in Kairo angestimmt hatten. Die meisten Gäste bejubelten den Auftritt, die Militärs verstummten. Ein besonderer Moment. Am Donnerstagabend lassen Herr Diebold und Kollege den „Ruf nach Freiheit“ im Stuttgarter Zeppelinstüble erklingen. Er kommt in jeder Hinsicht an.