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Ein besonders uriges Wort bringt Leser Hermann Sigler aus Wendlingen in die Runde der ausgewählten Begriffe.

Stuttgart - Ein besonders uriges Wort bringt Leser Hermann Sigler aus Wendlingen in die Runde der ausgewählten Begriffe. Auch Leserin Elisabeth Gekeler aus Stuttgart interessiert sich dafür. Den Schwaben dürfte dieses Wortungeheuer kein Problem sein, für die zugezogenen und des Schwäbischen nicht mächtigen Mitbürger ist es bestimmt ein Forschungsgegenstand. Also heißt es, „hendrschefirsche“ auf Herz und Nieren zu untersuchen.

Zweckmäßig ist es, das lange Wort in seine Bestandteile zu zerlegen, also in „hendrsche“ und „firsche“. Diese beiden Wörter lassen sich ebenfalls aufteilen: hendr-sche und fir-sche. In die deutsche Sprache übersetzt heißt hendr „hinter“, während fir zwar in der heutigen Verwendung „für“ heißt, jedoch in früheren Zeiten die Bedeutung von „vor“ hatte (Althochdeutsch fora, vora, Mittelhochdeutsch vor). Die Silbe „sche“ ist die etwas umgelautete Version des verkürzten Pronomens „se“ (= sech), auf Deutsch „sich“: D’Õma hòt se gfraet. Somit bedeuten hendrsche „hinter sich“ und firsche „vor sich“ oder im übertragenen Sinne „rückwärts, zurück“ bzw. „vorwärts, voran“.

Eine sprachliche Eigenheit zeigt bei diesen beiden Wörtern das Pronomen „sich“, insofern als es hier auch für die erste und zweite Person verwendet wird – Beispiel: „I gang etz firsche“ müsste eigentlich heißen „I gang etz firme“, auf Deutsch „Ich gehe jetzt vor mich“. Das Pronomen „sich“ hat jedoch bereits im Mittelhochdeutschen die anderen Pronomen verdrängt und sich fest an die Präpositionen „hinter/vor“ gebunden, egal in welcher Person gesprochen wird.

Unsere beiden Gesellen kommen auch in verschiedenen Redensarten vor: „Emm Gschäft gòht-s firsche“ oder „Mit dêåm gòht-s hendrsche“ oder beide zusammen: „s-gòht et hendrsche õnd et firsche“ (es geht nicht vom Fleck). Geht es aber hendrschefirsche, dann wird das Hinterste zuvorderst gemacht. So etwas kann nicht funktionieren, die Sache läuft umgekehrt und völlig verkehrt. Verwandte Wörter zu „hendrschefirsche“ sind „hendråtsfier“: Hãêt isch ällås hendråtsfier (= verkehrt) und „hendårschefier“: „Däår macht õên no ganz hendårschefier“ (= verwirrt).

In die gleiche sprachliche Kategorie gehören die Wörter „abrsche“ (von etwas herab, abwärts), „õndrsche“ (nach unten, abwärts) und „ibrsche“ (nach oben, aufwärts) und die Kombination „õndrsche-ibrsche“: „Dêãn schmeiß-e etz õndrsche-ibrsche zõmm Haus naus!“

Zum Begriff hendrschefirsche oder henderschevier schreibt Leserin Renate Schietinger aus Nürtingen: „Als in den fünfziger Jahren die ersten Gastarbeiter aus Italien kamen und die deutsche Sprache noch nicht so beherrschten, sagte mein Nachbar immer: ,Dia schwätzet bais henderschvier!‘“ Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Leser Oskar Schilling aus Stuttgart. Er schreibt: „Mein Opa sagte, wenn ihm etwas Unangenehmes passiert war: ,No naus mit dem, der koin Hauszens zahlt.‘“

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