Musik aus dem Herzen, die zu Herzen geht – das ist das Markenzeichen von Wendrsonn, der derzeit erfolgreichsten Dialekt-Band im Südwesten. Ihr Auftritt beim 12. „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch war ein Erlebnis. Hier gibt es das Video.

Stuttgart - „Em Zeppelinstüble kann’s passiere, dass midde em Wender d’Sonn uffgoht“, schreibt Leser Peter Stantscheff ins Gästebuch. Nach fast zwei Stunden Hautnah-Konzert ist er restlos begeistert: „Das Beste und Ehrlichste, was ich in diesem Jahr gehört habe.“ Neben ihm steht Markus Stricker, der Kopf von Wendrsonn, strahlt und verbeugt sich. Dann gehen er und seine fünf Musikerkollegen unter kräftigem Applaus von Gast zu Gast, um sich mit Handschlag zu verabschieden. Wo gibt’s denn so was?

So was gibt’s beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch unserer Zeitung im Zeppelinstüble. Drei Wochen nach der Vorstellung ihrer neuen CD „Geile Zeit“ vor fast 1000 Zuhörern im Stuttgarter Theaterhaus spielen Wendrsonn im rustikal-urigen Eckle des Hotels Steigenberger Graf Zeppelin, wo sich ein kleiner Teil der großen DialektGemeinde vier- bis fünfmal im Jahr in unterschiedlicher Besetzung zu Mundart-Leckerbissen trifft.

Das Angebot ist vom Feinsten: Musik aus dem Schwäbischen Wald, die gerade den Südwesten erobert und inzwischen auch schon im Norden erklingt – auch wenn sie dort zum Teil noch als exotisch wahrgenommen wird. Markus Stricker erzählt von einer Begegnung der hanseatischen Art: „Als wir in Hamburg auftreta send, kam a Hamburgerin auf mi zu und hot gfrogt: Singen Sie Hebräisch?“

Im Zeppelinstüble geht die Sonne auf

Dieses Hebräisch ist Schwäbisch, und so, wie es Wendersonn vortragen, klingt es einfach nur poetisch. Leser Stantscheff hat recht: Im Zeppelinstüble geht an diesem Abend tatsächlich die Sonne auf. Das liegt am intensiven und warmen Gesang von Sängerin Biggi Binder, an der überquellenden Energie von Markus Stricker (Gitarre, Gesang, Akkordeon), am virtuosen Geigenspiel von Klaus Marquardt, der Gitarren- und Banjokunst von Micha Schad (Gitarre) und dem perfekten Rhythmus von Ove Bosch (Bass) und Heiko Peter (Schlagzeug).

Musikalisch sind Wendrsonn ein Hochgenus. Doch das allein ist es nicht. Die Band hat den Schlüssel gefunden, wie man sich ins Herz des Publikums spielt: Bei der großen SWR-1-Hitparade vor wenigen Wochen landeten die „Bagganer“ (Backnanger) mit ihren Schwaben-Hymne „Da ben i dahoim“ auf Platz 46 der 1111 beliebtesten Titel. Ein Riesenerfolg für eine Band, die seit zehn Jahren auf Mundart setzt und mit dieser spielt und dabei auch Einsprengsel aus anderen Sprachen verwendet. „Sprache muss wachsen“, sagt Stricker: „Auch der Dialekt.“

Gleichzeitig graben er und seine Bandkollegen nach alten schwäbischen Wörtern und fördern Ausdrücke zutage, die aus dem Sprachgebrauch fast verschwunden sind: „Huddel“ etwa (schwäbisch für aufgetakelte Dame, „Tussi“). Daraus werden freche, liebenswerte Lieder. Zudem bedienen sich Wendrsonn bei schwäbischem Liedgut, das sie im kraftvollen Wendrsonn-Stil vortragen: „Widele Wedele“ etwa oder „Es schneielt, es beielt“. Letzteres übrigens ist auch eine Verbeugung vor dem 2003 verstorbenen Mundart-Pionier Wolle Kriwanek. Ebenfalls ein „Bagganer“: „Er ist unser Vorbild“, sagt Stricker.

Spielfreude der Wendrsonnler zeigt sich in der Anzahl ihrer Auftritte

Das Geheimnis von Wendrsonn besteht in ihrer musikalische Vielfalt. Das Repertoire reicht vom Volkslied über den Rocksong bis zum Blues-Titel und zur Ballade. Das alles vorgetragen mit einer Spielfreude, die keine Berührungsängste kennt: Das Publikum ist vom ersten Wendrsonnenstrahl mit eingebunden. Unter Strickers Regie wird der Stammtisch unweigerlich zur Rocketse.

Die Spielfreude der Wendrsonnler zeigt sich auch in der Anzahl ihrer Auftritte und Konzerte: Rund 60 sind für das kommende Jahr geplant. Die Bühnen werden größer, doch die sympathische Band mit Hang zum Rebellischen liebt’s weiterhin auch klein und fein – wie jetzt im Stüble. Ihr Eintrag ins Gästebuch drückt höchste Wertschätzung aus: „Hautnah wunderbar & zauberhaft.“

www.wendrsonn.de