Geburtstagstorte für Trudel Schlitzer Foto: Fotolia

Zum 80. Geburtstag von Leserin Trudel Schlitzer gibt es eine schwäbische Worterklärung.

Stuttgart - Leserin Irmgard Maier aus Linsenhofen („Laisahofa“) schreibt: „Beim jährlichen Familientreffen benützte meine Schwägerin Trudel Schlitzer das Wörtle ,ãmergelich‘ mutmaßlich in der Bedeutung von wehleidig, empfindlich. Kommt das daher, dass man vielleicht der Person, die so beschrieben wird, alle ,Maläsen‘ gleich anmerkt beziehungsweise anmerken soll? Es wäre schön, wenn Sie das Wörtle in ‚Auf gut Schwäbisch‘ erklären könnten. Meine Schwägerin feiert nämlich am 4. August 2012 ihren 80. Geburtstag und die Erklärung wäre eine nette ,Zugabe‘.“ Hier ist sie, verfasst von unserem Sprachforscher Roland Groner, verbunden mit herzlichen Glückwünschen:

 

Mit „anmerken“ hat dieses Wort nichts zu tun, obwohl es vom Sprachklang her vermutet werden könnte. Der Ausdruck „ãmärgålich“ bzw. in der ursprünglichen Form „ãnåmärgålich“ war früher in ganz Altwürttemberg, wie es in Fischers „Schwäbischem Wörterbuch“ heißt, bekannt. Doch schauen wir zunächst, wie das Wort „ãmärgålich“ hier beschrieben wird: „zierlich, demütig, zimpferlich, sanft-zutraulich; meist tadelnd von heuchlerischer Kopfhängerei, Süßlichkeit, fader Unterwürfigkeit, affektiert langsamem Reden“. Angefügt wird „in diesen Bedeutungen allgemein nördlich der Alb; meist von Frauen“.

Dies ist die Bedeutung, doch woher stammt der Begriff „ãmärgålich“? Um dies herauszufinden, müssen wir das Wort in seine Teile zerlegen. Fangen wir mit „märgå“ an. „Marge, Märge“, schwäbisch gesprochen „ Märg(å)“, ist, wie bei Grimm zu lesen, „die alte, weit verbreitete volksmäßige Form des Eigennamens Maria“. Das „g“ in „Märgå“ entstand aus dem „i“ von Maria durch das „j“ des schon bei den Goten gebrauchten Marja hindurch. „Märge“ ist auch in Ortsnamen vertreten wie in „Sankt Märgen, Mergentheim“.

Jetzt zu dem vorgesetzten „ã“ bei „ãmärgålich“. Dieses nasale a ist der Rest des verkürzten Namens „Anna“, der dem „märgelich“ vorangestellt ist, so dass das ganze Adjektiv bestimmt wird von den beiden Vornamen Anna und Maria und „annamärgelich“ heißt, schwäbisch gesprochen „ãnåmärgålich“. Jetzt werden manche Leser fragen, was Anna und Maria hier miteinander zu tun haben. Und nun kommen wir in den religiösen Bereich. „Anna“ ist der Name der Mutter von Maria und damit die Großmutter von Jesus. Warum allerdings diese beiden zusammengebundenen Namen zu der oben beschriebenen Bedeutung kommen, ist leider nirgends zu finden. Möglich ist, dass man sich die beiden Frauen derartig vorstellte.

Eine Variante des Namens Maria ist Mareile (= kleine Maria). Dieser Name wurde ebenfalls mit „Anna“ gekoppelt, so dass „annamareilich“, gesprochen „ãnåmreilich“, als Nebenform entstand. Es wird in demselben Sinne gebraucht wie „ãmärgålich“. Die als Name nicht gebrauchte „Ãnnåmärgl“ gilt als altkluge, auch als weinerliche Weibsperson, als Andächtlerin und Betschwester und „Märg“ allein als immer klagende Person.

Der folgende Beitrag von Leser Rolf Artmann aus Winnenden passt zu den Sommerferien. Auf seine Bitte hin hat unser Sprachforscher Roland Groner den Text ins Schwäbische übersetzt:

„In Stetten im Remstal hatten wir eine richtig nãsåweise Nòchbåre. Immer wenn wir onser Auto für den Urlaub packten, kam sie über die Straße gewackelt und fragte ,So, mò gòht-s desjòhr nã?‘ – ,Ha, so Richtung Ulm‘, sagte ich. Sie, mit der kurzen Antwort nicht ganz zfriedå und das viele Gepäck musternd, fragte weiter: ,Ond mò gòht-s nò nã?‘ – ,Ha, velleicht no ens Allgae!‘ – ,Jò, ond mò gòht-s nò-no nã?‘ – ,Ha, des wissåt-mr jetz no net so gnao – velleicht nò bald wiedr hõêm!‘ Maeschdens war se nò zfriedå, ond ällås muåß mr de Nòchbr ao net uff d‘Nãs bendå!“

Der Spruch des Wochenendes kommt von Leser Oskar Schilling aus Stuttgart. „Angst hanne koine, aber saua kane!“