Wenn’s kalt ist, dann kann es schon mal in der Luft glitzern. Foto: StN

Else Schweizer, eine geborene Schwäbin, aber schon seit den sechziger Jahren in Berlin lebend, erinnert sich an den Ausdruck „’s gritzgrammet“, den ihre Großmutter gebraucht hat, und zwar für das Funkeln der Luft, wenn es kalt ist.

Stuttgart - Else Schweizer, eine geborene Schwäbin, aber schon seit den sechziger Jahren in Berlin lebend, erinnert sich an den Ausdruck „’s gritzgrammet“, den ihre Großmutter gebraucht hat, und zwar für das Funkeln der Luft, wenn es so kalt ist, dass die Feuchtigkeit der Luft gefriert und dann in der Sonne glitzert. Stimmt das?

Was unsere schwäbische Berlinerin hier auftischt, gehört in die ältesten Zeiten der erforschbaren germanischen Sprachen. Manche Leser werden sich fragen, wenn sie das Wort „griesgramen“, wie es im Grimm’schen Wörterbuch geschrieben ist, sehen, ob es vielleicht mit „Grieß“ etwas zu tun haben könnte – doch die Antwort dazu stellen wir etwas zurück.

In der etymologischen Beschreibung von „griesgramen“ findet man althochdeutsche Wörter wie „christcrimot, grusgrimmon, grustgramen u. a.“. Der erste Bestandteil solcher Wörter wie „gris-/cris-/crist-/grus-“ enthält die Grundbedeutung „knirschen“, so verstand man z. B. unter „cristcrimmod zaneo“ das „Knirschen der Zähne“. Dieses „gris“ und die anderen vorn stehenden Silben haben Beziehung zu den alten Wörtern „gritzen, kritzen“ (= knirschen), wobei das zweite das Mutterwort von „kritzeln“ und auch die Schwesterform zu „kratzen“ ist. Der Stamm „gris-“ steckt auch in dem alten Wort „Griesz“ (ahd. grioz) mit der ursprünglichen Bedeutung „Sand, Kies“ und dann auch „Grütze“ im Sinne von „grob gemahlenes Getreide“, später auch „Grießmehl“.

Der zweite Bestandteil „gramen“ in „griesgramen“ ist nicht die älteste Form, voraus ging „grimmen“ wie in dem alten Wort „grisgrimmen“. Dieses „grimmen“ wurde für „tosen, rasen, brüllen“ gebraucht, wie das Adjektiv „grimm“, das für „böse, furchtbar“ stand. Beide stammen von der indogermanischen Wurzel „ghrem“ (= reiben, knarren, knirschen). In der Tierfabel ist „Grimmbart“ der Name des Dachses und „Isegrimm“ der Name des Wolfes, beide Bezeichnungen sind auch übertragen auf einen sehr mürrischen Menschen. Das von „grimm“ abgeleitete „gram“ wurde in den Bedeutungen „ergrimmt, erzürnt, wütend“ verwendet. Bei Grimm heißt es: „mit spürbarer beziehung auf die wurzelbedeutung knirschen“. Das Substantiv „Gram“ (= Kummer, schmerzliche Betrübnis) stammt von „grame muot“ (= erzürnter Sinn).

Interessant ist die Bedeutungsentwicklung von „knirschen“ zu „schauern“, welche das Wort „grimmen“ erfuhr und das sich im Schweizerischen entwickelte: „neben ‚zähneknirschen‘ auch ‚schauder infolge von entsetzen, schmerz, selbst frost u. ä.‘“ – so bei Grimm wiedergegeben. Hier bekommen wir plötzlich den Übergang zur Kälte, was in dem Verb „grieseln“ bestätigt wird, wo es heißt: „erschauern vor kälte, furcht, schrecken, ekel, abscheu“. Während sich allgemein die Bedeutung von „griszgrammen“ zu „miszmuthig sein, brummen, nörgeln, schelten“ veränderte und sich daraus der „Griesgram“ entwickelte, wurde es im Schwäbischen zusätzlich auch auf die Kälte ausgerichtet: „’s gritzgrãmmåt / ’s grisgrãm(m)åt“ = es ist streng kalt; speziell vom Herumfliegen kleiner Schneeflocken bei strenger Kälte – so in Fischers Wörterbuch festgehalten. Und neben der mürrischen Bedeutung hat sich „griesgrämig“ im Schwäbischen mit „grisgremig, gritzgrämig, gritzgrãmig“ (= grimmig kalt) auch der Kälte verschrieben.

Ein weiterer Nachtrag zum Gute-Nacht-Spruch „Schlaf gsond ond kugelrond . . .“ kommt von Siglinde Teubner aus Oeffingen: „Vor 60 Jahren fragte ich meine Oma, die mich mit diesem Gute-Nacht-Vers ins Bett schickte, ,warom kugelrond‘? Sie erklärte mir: ,Des isch a Rädle, also zwölf Stond.‘ So lange sollte ich schlafen.“ Der Spruch des Tages kommt von Sepp Heim. Er schreibt: „Einen schönen Dialog habe ich neulich im Familienkreis aufgeschnappt. Meine Schwägerin fragte die Tante: ,Du sag amol, wie lang isch jetzt dei Tochter verheiratet?‘ ,Des isch au scho a Johr her‘, antwortete sie. ,Woisch, do isch halt au scho dr Honig weggschleckt.‘“