Mann mit einer Kippa Foto: dapd

Sie war eine Alemannin vom Schwäbischen Meer, die im Ländle Akzente setzte: Hannelore König.

Stuttgart - Sie war eine Alemannin vom Schwäbischen Meer, die im Ländle Akzente setzte: eine Juristin von Format, die es als Erste in Württemberg zur Oberstaatsanwältin brachte; eine Frau, die lebenslang die Erfahrung erlittenen Unrechts in den energischen Einsatz für den demokratischen Rechtsstaat ohne Klassen- und Rassenjustiz verwandelte; eine unprätentiöse Lehrerin der Geschichte und unbestechliche Freundin der Wahrheit: Hannelore König, Tochter Nathan Wolfs, des „letzten Juden seines Dorfes“ Wangen am See, eine letzte Zeugin des (schwäbisch-)alemannischen Landjudentums. Die Landeszentrale für politische Bildung hat ihr eine zehnstündige Dokumentation gewidmet; ein Buch über die Familie Wolf soll 2014 erscheinen. Hannelore König hat es nicht erleben dürfen; sie verstarb vor einigen Tagen.

An Silvester 1925 als Tochter eines jüdischen Arztes und einer katholischen Rheinländerin geboren, lernte sie das Zusammenleben von Juden und Christen im Ort wie in der eigenen Familie kennen, die Weihnachten feierte und Chanukka, Pessach und Ostern. Bald aber folgten Entrechtung, Ausgrenzung und Vernichtung. Berufsverbot, KZ-Haft und Flucht des Vaters in die Schweiz mussten sie und ihr Bruder Gert erleben – und die Zerstörung der Synagoge am Untersee, die Auslöschung der israelitischen Gemeinde wie des jüdischen Lebens: Viele Verwandte wurden am Laubhüttenfest 1940 deportiert. Dem Vater aber konnten seine Kinder nur noch zuwinken, wenn er sonntags mit einem Schweizer Dampfer am deutschen Ufer entlangfuhr. Die „arische“ Mutter starb 1942, weil der zuständige Konstanzer Medizinalrat die lebensrettende Kur in der Schweiz verweigerte.

1943 wurden die Verwaisten als „gefährliche Elemente“ aus dem Zollgrenzbezirk verbannt und einer Weingärtnerfamilie in Obertürkheim als billige Arbeitskräfte zugewiesen. Einzelne überlebten, was die amerikanischen Befreier ihr nicht glauben wollten, als sie einen Passierschein in die französische Zone erbaten.

In ihre Heimat konnten sich die Geschwister durchschlagen. „Hitler war weg – und wir wieder da, wo wir hingehörten“, vereint mit dem aus dem Exil zurückkehrenden Vater und seiner Schwester Selma. Nathan Wolf, beliebter Arzt, Menschenfreund und Hobbyarchäologe, wurde für kurze Zeit kommissarischer Bürgermeister von Wangen.

Hannelore studierte Jura in Deutschland und den USA. 1955 trat sie nach der Promotion in den Staatsdienst, zunächst mit der Wiedergutmachung befasst. 1958 heiratete sie den Berufskollegen Dieter König. Seit 1973 Oberstaatsanwältin, half sie nach ihrer Pensionierung am Aufbau einer rechtsstaatlichen Justiz mit. Das wichtige Buch über „Jüdische Kultur im Hegau und am Bodensee“ enthält ein Interview mit ihr, das Täter wie Opfer beim Namen nennt. Auch die Träger großer Namen durchleuchtete sie „mit dem Röntgenapparat des Anstands“.

All die Zeit blieb König – in Steinenbronn wohnhaft – Wangen am See verbunden. Dort ist sie jetzt auch begraben. Dem Historiker schrieb sie ins Stammbuch: „Am Einzelschicksal zeigt sich die Wirklichkeit, die doch jeder anders erlebt.“

Dem Lompasammler haben wir schon mehrere Beiträge gewidmet. Hier eine weiter Anekdote zu dem Thema. „In meiner Kindheit gab es noch den Nikri-Mann“, schreibt Karin Seibold aus Schorndorf. „Der war in einem schwarzen Anzug mit Zylinder auf Stelzen unterwegs und sammelte für eine Schuhcreme-Firma leere Blechdöschen ein. Wenn wir Kinder die leeren Dosen beim Nikri-Mann ablieferten, gab es allen möglichen Kruscht, der bei uns sehr begehrt war. Allerdings hatte ich da so meine Probleme. Wo bekam man just an dem Tag, an dem der Nikri-Mann kam, leere Dosen her? Mein Großvater sammelte darin Reisnägel und kleine Nägel. Die mussten dann halt weichen. Später wurden dann noch die in Gebrauch befindlichen Schuhcreme-Dosen leer gemacht. Bei jedem Besuch des Nikri-Manns handelte ich mir enormen Ärger ein. Aber was war das schon in Anbetracht der großartigen Dinge, die ich dafür bekam.“

Der schwäbische Spruch des Tages lautet: „Mr hält en mancha für fett ond we mr guckt, isch er bloß gschwolla.“

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