Briefträger heute Foto: dpa

Die folgende Geschichte hat uns Leser Ebbe Kögel aus Stetten im Remstal zugesandt.

Stuttgart - Die folgende Geschichte hat Leser Ebbe Kögel aus Stetten im Remstal eingesandt:

„Die Patentante meiner Mutter Margarete Beurer (verheiratet Kögel) und ihrer Geschwister Eugen und Lore (verheiratet Ilg) war Karoline Eißele, geb. Munder, Jahrgang 1892.

Die Doda Karlena, wie sie in der Verwandtschaft genannt wurde, war verheiratet mit Wilhelm Eißele, ebenfalls im Jahre 1892 geboren. Dieser wurde nach dem Ersten Weltkrieg Briefträger und blieb es bis 1950.

Karoline Eißele nannte ihren Mann nicht beim Vornamen, sondern sagte immer nur ,mai Briafdrägr‘. So hieß er bald auch in der ganzen Verwandtschaft.

Bei seiner Runde durchs Dorf machte dieser Postbote während des Kriegs immer Station bei meinen Großeltern Ernst Beurer, dem Boomwart (Baumwart) der Gemeinde und seiner Frau Anna, geb. Vetter. Ihr Sohn Eugen musste ihm bei diesen Zwischenaufenthalten immer a Kriagle Mooschd aus dem Kern (Keller) holen. So gestärkt ging dem Wilhelm die schwere Arbeit des Briefeaustragens anschließend leichter von der Hand. Schließlich wurde die Post damals zweimal am Tag in die Häuser gebracht. Die Frauen aus den umliegenden Häusern, die sehnsüchtig oder angstbehaftet auf Briefe von ihren Männern im Feld warteten, wussten von dieser Pausenstation und kamen deshalb immer in der Langgaß 25 vorbei, um zu erfahren, ob er eine Nachricht für sie dabei hatte.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als wegen der Luftangriffe regelmäßig alles verdunkelt werden musste und nirgends eine Straßenlampe leuchtete, ging dr Briafdrägr eines Tages, nachdem er im Gasthaus Krone verhockt war, zu später Stunde zusammen mit dem Biddl (Amtsboten) Gotthilf Moser und dem Waldmoischdr (Waldaufseher) Fritz Seyerle nach Hause.

Vor dem Backhäusle in der Mühlgasse führte damals nur eine schmale Holzbrücke über den offenen Haldenbach, die mit einem Gleaner (Geländer) versehen war. Unweit vom Backhäusle befand sich die Schnapsbrennerei vom Träuble-Wirt Karl Schmid, der die beim Brennen entstehende Lohe, also die Überreste des als Schnapsrohstoff verwendeten Obstes, neben der Brücke einfach in den Bach kippte. Damals war das noch allgemein üblich und geduldet.

Als nun die drei Spätheimkehrer in stockdunkler Nacht den Haldenbach überqueren wollten, verfehlte dr Briafdrägr Eißele die Holzbrücke um wenige Zentimeter und landete längelang in der Lohe der Schnapsbrennerei. Diese verschaffte ihm zwar einen weichen Aufprall, hinterließ aber erhebliche Spuren.

Als er nun stinkend wie ein Schnapsfass zu Hause ankam, schwor er seiner naserümpfenden und wie ein Rohrspatz schimpfenden Ehefrau Stein und Bein, dass er nichts getrunken hätte, sondern der Schnapsgeruch ausschließlich von der vermaledeiten Lohe käme.

Doda Karlena erzählte in den folgenden Jahren bei verschiedensten Gelegenheiten allen, die es hören wollten: ,Kaddsaniachdern isch mai Briafdrägr enn dr Bach naikagld‘ (Stocknüchtern ist mein Briefträger in den Bach gefallen).“ Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Leser Hans Hägele aus Schwäbisch Gmünd. Er schreibt: „Mein Vater war ein alter erfahrener Handwerksmeister. Wenn er etwas fertigen sollte, das er für übertrieben und ganz und gar nicht passend hielt, hatte er folgenden Spruch auf Lager: ,Ällas was reacht isch, aber zwoi Meter für en Saustall send z’hauch.‘“