Schreibmaschine. Foto: dpa-Zentralbild

Die Stimme Oberschwabens, Maria Beig, ist eine literarische Zeugin des Jahrhunderts.

Eine Schriftstellerin ist sie, die der Heimatliteratur mit ihrem Sitz im Leben als Weltliteratur zu neuer Geltung verhilft. Eine literarische Zeugin des Jahrhunderts, die ihre Heldinnen vor dem Vergessen rettet. Die Stimme Oberschwabens ist sie, eine starke Stimme, geformt aus der Not der Zeit: Maria Beig, die am 8. Oktober vor 90 Jahren als eines von dreizehn Kindern in Senglingen auf einem Bauernhof zur Welt kam.

Lehrerin wurde sie und begann nach der vorzeitigen Pensionierung 1977 zu schreiben: in Druckbuchstaben das Erfahrene aufzuzeichnen wie eine Saga. Geschichten, die das Leben schrieb, gerinnen der Chronistin zu Literatur; Lebensbilder der leidenden Frau auf dem Land zeichnet sie in karger Sprache, aufs Wesentliche konzentriert, dokumentarisch, testamentarisch. Das Gefühl ist unterdrückt wie das Ich in der bäuerlichen Welt, die alles nach seinem Wert bemisst: Acker, Vieh, Bauer oder Knecht, Bäurin, Magd oder Nonne, grausam gegen die Überzähligen, Überflüssigen, "Unnötigen"; in einer harten Welt, da eine Sekunde der Menschlichkeit ein ganzes Leben verdirbt, hat der Liebende verloren - und jede Sehnsucht wird eitel.

Hingenommen wird alles, gottergeben; wahllos macht einen dies heimatlos. Beig sagt Gewusstes; das Gesagte wird zum Musterstück des Weltlaufs. "Nichts ist so gering, daß es nicht gesagt werden kann. Aber so gesagt, ist es nicht mehr gering." (Martin Walser) Ihre Heldinnen sind die "Minderen", denen Achtung und Besitz versagt ist, über die verfügt wird.

Gleichmütig sagt sie das Größte und das Kleinste, das Entsetzlichste und das Lieblichste her. Das Entsetzliche überwiegt. Mitleiden lässt sie mit den Geschundenen und mit den Verstoßenen, die sich nicht abfinden damit, dass die Welt nun einmal (gut) so ist, wie sie ist; die zu Ketzern werden, wo die Frömmigkeit eingegeben wird, das allgegenwärtige Unrecht und Unglück klaglos zu ertragen.

Maria Beigs schlichte Sprache nahe am Alemannischen ist wie Heimat und Menschenwürde: wirklich und jenseits des Konkreten nicht zu denken. Eine festgefügte Welt- und Wertordnung fordert sie heraus; sie weiß aber auch um den (Heimat-)Verlust in der Moderne.

Dem Uneingelösten begegnet der Leser bei Maria Beig Schritt für Schritt - und denen, die der Erlösung bedürfen. Aufgehoben aber hat die Autorin eine ganze Welt, in der Geschichte des Einzelnen die Geschichte der Zeit.