Woher hat das Stiefmütterchen seine Bezeichnung im Dialekt? Foto: StN

Wie unser Leser bemerkt, wird im Deutschen für „Stiefmütterchen“ auch das aus dem Französischen übernommene Wort „pensée“ verwendet, im Schwäbischen „Bãselå/Bãse“.

Stuttgart - Jürgen Braun aus Schornbach berichtet: „Das in unserer Region immer seltener gebrauchte Wort Paasee für Steifmütterchen führte ich bisher auf den Einfluss des Französischen zurück. Penser = denken, gedenken. Das Steifmütterchen dürfte zwar wenig Verwandtschaft mit Vergissmeinnicht oder Gedenkemein haben, aber das kann ja den Franzosen egal sein. Neulich stieß ich auf den englischen Begriff. Dort heißt es pansy. Ich bezweifle, dass die Engländer in vorglobalisierten Zeiten ein französisches Wort phonetisierten, es sei denn, Französisch sei zu dieser Zeit Fachsprache der Botanik gewesen. Gibt es also vielleicht doch eine dem Englischen und Schwäbischen noch immer innewohnende gemeinsame Wurzel des Paasees im germanischen oder keltischen Ursprung?“

Fangen wir mit dem „Steifmütterchen“ an. Im Allgemeinen wird die Blume „Stiefmütterchen“, schwäbisch „Schdiåfmiådrle“, genannt, doch das Wort „stiefbruder“ wurde in der Zimmerischen Chronik Mitte des 16. Jahrhunderts als „steifbruder“ niedergeschrieben. Zeitlich voraus ging ein „stiuf“ (iu anstelle des damals noch nicht vorhandenen ü), daraus wurde „stif“, woraus sich durch Umlau-tung zu ei „steif“ bildete. Bei „Steifmütterchen“ sieht man, dass sich „steif“ für „stief“ bis heute gehalten hat. Wie unser Leser bemerkt, wird im Deutschen für „Stiefmütterchen“ auch das aus dem Französischen übernommene Wort „pensée“ verwendet, im Schwäbischen „Bãselå/Bãse“, in Anlehnung an „Seele“ auch „Bãseelå“ gesprochen (aus „Etymologie des Schwäbischen“ von H. Wax). Es stammt vom oben erwähnten „penser“ und bedeutet „Denken, Gedanke“, eigenartigerweise auch „Stiefmütterchen“.

Was das englische „pansy“ betrifft, so dürfte eine gemeinsame Wurzel mit dem Schwäbischen nicht vorhanden sein, auch nicht vor etwa 1800 Jahren, als zwischen Nordsee und Elbe eine Nachbarschaft zwischen den germanischen Stämmen Angeln, Sachsen, Sueben bestand. Damals war „pensée“ bestimmt noch nicht im Sprachgebrauch. Vermutlich haben die Engländer, als das französische „pensée“ bekannt wurde, die englische Ausspracheform schriftlich mit „pansy“ festgehalten.

Interessant ist, warum eine Blume, die botanisch „Viola tricolor“ (= dreifarbiges Veilchen) heißt, zum „Stiefmütterchen“ wurde. Dieser Namensgebung liegt eine symbolische Sichtweise zugrunde. Im Volksmund wird nämlich die Blüte des Wilden Stiefmütterchens wie folgt gedeutet: „Die fünf bunten Blütenblätter werden von fünf Kelchblättern getragen. Das unterste, große und stark gefärbte Blütenblatt sitzt auf zwei Kelchblättern, das ist die Stiefmutter. Links und rechts von ihr sitzen ihre zwei bunt gefärbten Töchter jeweils auf einem Kelchblatt. Die zwei oberen, meist einfach violettfarbenen Blütenblätter stellen die zwei Stieftöchter dar. Sie müssen sich mit einem Kelchblatt gemeinsam begnügen.“ (Quelle: Wikipedia)

Leider findet man keine befriedigende Erklärung dafür, warum „pensée“ auch für „Stiefmütterchen“ steht. Einen Zusammenhang gibt folgende Geschichte wieder: „Als Napoleon 1814 ins Exil nach Elba gehen musste, wählten die Bonapartisten ‚Viola‘ als Losungswort. Als er 1815 nach Frankreich zurückkehrte, wurden Flugblätter veröffentlicht, auf denen sein Gesicht in der Mitte eines Stiefmütterchens gedruckt war. Neben dem Bild war der Text ‚Unique pensée de la France‘ (= Frankreichs einziger Gedanke) zu lesen.“ Die Flagge Frankreichs ist die blau-weiß-rote Trikolore, und mit ihr lässt sich eine Beziehung zu „Viola tricolor“ und damit zum doppelsinnigen „pensée“ herleiten. Der schwäbische Spruch des Tages kommt von Klaus Rilling aus Wendlingen: „Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, aber es fällt mir ein Spruch meiner Mutter ein, die aus einem bäuerlichen Haushalt im Schwarzwald kam: ,Ma ka älles macha, ma ka au d’Kua am Schwanz romlupfa.‘“

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