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Heute erklären wir, warum der Schwabe an so viele Wörter das bekannte „le“, anhängt.

Claudia und Rudi Lang aus Mühlacker fragen, ob bekannt ist, warum der Schwabe an so viele Wörter das bekannte „le“, also die Verniedlichungsform, anhängt.

Wie man so liest und hört, seien die Schwaben grob, ja sogar saugrob, wobei an die vielen Schimpfwörter und Flüche erinnert wird. Dass aber die alteingesessenen Bewohner auch eine ganz gemüthafte Ader haben, wird meistens nicht erwähnt. Dabei lieben wir Schwaben es ganz besonders, Personen und andere Lebewesen, Gegenstände, Sachverhalte in einer Verkleinerungsform mit der Nachsilbe „-le“ zu benennen. Damit kommt zum einen eine gewisse Zärtlichkeit und Liebenswürdigkeit zum Ausdruck, zum anderen erfahren manche gespannten Situationen eine Entschärfung.

Wie allgemein bekannt, ist das „-le“ die schwäbische Form der Nachsilbe „-lein“, die zusammen mit der Nachsilbe „-chen“ die Verkleinerungen in der deutschen Sprache bestimmt. Schauen wir in die Geschichte dieser beiden Suffixe, so erfahren wir im Grimm‘schen Wörterbuch, dass die deutsche Sprache über zwei Hebel zur Bildung von Diminutiva (= Verkleinerungsformen) verfügt: das L und das K, das im Hochdeutschen als CH erscheint. Die eine althochdeutsche Nachsilbe hieß „ili“ wie bei chindili (= Kindlein), später chindilin, die andere Nachsilbe „cho“ wie bei anicho und „cha“ wie bei anicha (jeweils Großmütterchen), später „chin“ wie bei bruoderchin (= Brüderchen). Was das gegenseitige Verhalten betrifft, so steht fest, dass bereits früh in den oberdeutschen Gebieten die Bildung mit „li/lin“ (märlin) überwog, doch auch die „ch-Formen“ (märchen) waren vertreten. Allmählich wurde jedoch die Verwendung des „cho/chin“ in den oberdeutschen Mundarten zugunsten des „-lin“ seltener (ausgenommen „Märchen“). Aus dem „-lin“ wiederum wurde in der neuhochdeutschen Zeit das „-lein“, nicht jedoch in der Schweiz, wo das „-lin“ zu „-li“ verkürzte: Büebli, Maidli, Chätzli.

Was den sprachlichen Gebrauch betrifft, so klingt laut Grimm’schem Wörterbuch „lein immer feierlicher, edler, chen immer traulicher, natürlicher“. Nun, dieser Auffassung kann man widersprechen, denn für uns im Schwäbischen ist das verkürzte „-le“ schon deshalb angenehmer und heimeliger, weil wir ein sprachliches Problem mit dem in der Kehle gesprochenen „ch“ haben. Bei einer ganzen Reihe von Wörtern mit dem „ch“ verzichten wir von vorneherein auf dessen Aussprache: i (ich), ao (auch), weelr (welcher) …

Wie lieb und traut uns Schwaben die Verniedlichungsformen sind, zeigt sich außerdem daran, dass wir auch Nicht-Substantive verkleinern: sodåle, wasåle, ojele … und seit neuestem „tschüssle!“ statt „adele!“ Der schwäbische Spruch am letzten Tag des Jahres lautet: „Liaber z’ viel gessa wia z’ wenig tronka.“