Der Reithausplatz wird vom Marstall-Center dominiert – durch die Sanierung vor zwei Jahren ist er wieder attraktiver. Foto: factum/Granville

Der Reithausplatz hat durch das Marstallcenter seinen Charakter stark verändert. Nach der Sanierung ist er wieder deutlich lebendiger und steht für den Aufbruch der Barockstadt.

Ludwigsburg - Hoch muss der Blick schweifen, um ein Relikt der Vergangenheit zu entdecken. Neben dem Haupteingang des Ludwigsburger Marstallcenters ist über einem Schild ein Teil des alten Reithaus-Portals angebracht. Eine Erinnerung daran, dass an Stelle des Einkaufszentrums einmal das Reithaus des Herzogs Eberhard Ludwig stand – und dass der Herzog in den benachbarten Stallungen seine Pferde untergebracht hat. Der Reithausplatz war das Scharnier zwischen Altstadt und Unterstadt, ein belebter Platz.

Kaum noch etwas erinnert heute an die Historie des Reithausplatzes, der noch bis in die 1960er Jahre hinein ein weitläufiges Areal war und von den alten Gebäuden der Marstall-Kaserne dominiert wurde. Wo früher höfisches Zeremoniell, edle Vollblüter und später soldatischer Drill vorherrschten, plätschern jetzt Sprudler aus dem Boden – und das Marstallcenter türmt sicht in den Himmel, lockt mit Elektrogeräten, frischen Burgern oder Handygeschäften. Es ist ein gelungenes Stück Stadtentwicklung – die sich auch in der Neugestaltung des Platzes vor einem Jahr niedergeschlagen hat,als für die Eröffnung des Marstall alles umgebaut wurde.

Von der „Restfläche“ zum Vorzimmer des Marstallcenters

Der Stadtplaner Martin Kurt zeigt Schwarz-Weiß-Bilder von dem Platz, nachdem von 1972 bis 1975 das alte Marstallcenter erreichtet worden war. „Er hatte keine öffentliche Funktion mehr“, sagt Kurt. Die Entlüftungsanlagen des Marstall dominierten, es war eher eine „Restfläche“ der Stadt. Nun aber wurde aus dem schmalen Platz, der neben dem Center noch übrig gebliebe ist, ein attraktiver Raum. Neben dem alten Brunnen stehen Stühle und Tische der Brauereigaststätte Rossknecht. Auf den Steinstufen sitzen Jugendliche, einige versuchen sich in der Pokémon-Jagd. Besonders stolz ist Martin Kurt, dass die alten Platanen erhalten werden konnten.

Doch es gibt auch eine Schattenseite. Gegenüber dem Einkaufstempel logieren ein Spielcasino, Ein-Euro-Shops, ein Goldankäufer. Und betritt man einen der Hinterhöfe, scheint die Zeit der Schwarz-Weiß-Fotos aus den 1960er und 1970er Jahren wieder lebendig geworden: Verfallene Mauern, mit Brettern zugenagelte Blindfenster, verrottete Garagentore. Nicht immer folgt einem attraktiven öffentlichen Raum auch eine Aufwertung der Privatgebäude, wie es erhofft wird.

Dennoch läuft Martin Kurt nun mit einiger Zufriedenheit über den Platz. „Er wird gerade von jungen Familien und Jugendlichen gerne angenommen, er hat wieder Aufenthaltsqualität“, sagt er mit dem Stadtplanern eigenen Vokabular. Anders formuliert: man ist wieder gerne dort.

Ein Symbol für die zweite Stadtgründung

Ein Stück weit steht der Reithausplatz damit auch für den Aufbruch und Umbruch der Barockstadt. Das schwäbische Potsdam hatte insgesamt fast 20 Kasernen, die nach und nach für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht wurden. Martin Kurt spricht von einer „zweiten Stadtgründung“ – vom Hotel Nestor bis zur Karlskaserne oder dem Akademiehof entstanden neue, lebendige Stadtviertel. So auch am Reithausplatz – denn das Marstallcenter war 1973 trotz seiner schnöden Betonfassade ein Zeichen der Hoffnung, um dem Einzelhandel wieder auf die Beine zu helfen und die Kaufkraft nicht ans Breuningerland an der Autobahn zu verlieren.

Das gilt auch für das „neue“ Marstall, das 2015 eröffnet wurde. Auch jetzt steht der Reithausplatzsymbolisch für den Kampf um eine attraktive Innenstadt mit lebendigem Einzelhandel. Wasmanchmal mehr, manchmal weniger gut gelingt. Genau dies ist am Reithausplatz auf kleiner Fläche komprimiert zu bewundern.

Was hätte der Herzog Eberhard Ludwig wohl gesagt, wenn er über seinen alten Reithausplatz gehen würde? Darüber können wir nur spekulieren. Aber er würde ihn zumindest kaum wiedererkennen – und er würde ihm sicherlich deutlich besser gefallen als noch vor der Aufmöbelung. So könnte er zumindest mit ein wenig Stolz auf seinem Rappen gen Schloss reiten.

Der Wandel des Platzes

Abriss
Eine ganze Reihe von historischen Gebäuden wurden in den 1960er Jahren zerstört: von der Marstall-Kaserne über das herzogliche Reithaus und zwei Pferdeställe bis hin zu einigen privaten Wohnhäusern im barocken Stil.

Sanierung Der Reithausplatz wurde im Zuge der Marstallsanierung zusammen mit der Kirch- und der Kronenstraße völlig neu gestaltet. Eine Terrasse mit Sitzstufen entstand, die Fußgängerzone wurde auf den Platz ausgedehnt, und zwar bis hin zur Brauerei Rossknecht. Der Brunnen und die Platanen blieben erhalten, Wasserelemente kamen neu dazu.