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Der "kräftigste Postbote Deutschlands", der "Houdini des Ringens" oder einfach der "bärenstarke Briefträger". So wurde Adolf Seger zu Zeiten seiner Sportlerkarriere genannt.

Der "kräftigste Postbote Deutschlands", der "Houdini des Ringens" oder einfach der "bärenstarke Briefträger". So wurde Adolf Seger zu Zeiten seiner Sportlerkarriere genannt. Heute betrachtet der Freiburger den Ringersport nur noch von außen, dafür widmet er sich verstärkt wohltätigen Zwecken - und sich selbst.

Wenn Seeger heute ringt, dann "höchstens nach Luft". Den Humor hat der dreifache Vater nicht verloren, wenngleich der Ex-Weltmeister die Ringermatte schon vor Jahren endgültig verlassen hat und die Briefe in Freiburg nun auch von anderen ausgetragen werden. "Jetzt will ich Dinge tun, für die ich früher keine Zeit hatte. Rad fahren, Tischtennis spielen und mich für die Kinderkrebshilfe engagieren", sagt der 64-Jährige.

Früher dominierte er die deutsche Ringerwelt, er holte im Freistil zwei Bronzemedaillen bei Olympischen Spielen (1972 in München, 1976 in Montreal). Im Weltergewicht gewann er 1972 und 1973 EM-Gold, als Seger 1975 ins Mittelgewicht wechselte, gelang ihm in Minsk auf Anhieb der WM-Triumph, im Herbst der Karriere folgten bei den Veteranen weitere Siege bei Weltmeisterschaften. Davor war der Badener unangefochtene Spitze auf nationaler Ebene - zwischen 1971 und 1980 gewann er regelmäßig die deutsche Meisterschaft in seiner Gewichtsklasse. "Hinfallen können viele, aufstehen nur wenige", pflegte er nach Wettkämpfen zu sagen - er blieb selten als Verlierer auf der Matte liegen. Wobei er dort seine größte Stärke ausspielte: den Kampf am Boden. Dank seiner Dynamik und dem nach ihm benannten Seger-Griff gelangen ihm zahlreiche Schultersiege.

Das war früher. Bei seinem Abgang aus der Ringerwelt hinterließ Seger tiefe Spuren. "Die konnte bis heute keiner ausfüllen", sagt der Freiburger selbstsicher. Deshalb weist er auch Stimmen zurück, die ihn an den Olympia-Stützpunkt berufen wollen. "Ich hab' da mal ein Talent trainiert. Das hat es bis zur WM geschafft, hat aber dann Freizeit und Freundin dem Ringen vorgezogen. Da war ich unendlich frustriert", erzählt er. Ein prägendes Erlebnis: Seitdem will Seger keine Nachwuchssportler mehr trainieren. Sportler, das ist Segers Credo, brauchen Willen und Charakter - so wie er selbst. "Man muss das Ringen mit Leib und Seele wollen. Da bin ich vom alten Kaliber." Wenn er etwas macht, dann mit vollem Einsatz. Das vermisst Seger heute bei vielen jungen Sportlern: "Alle wollen oben stehen, sind aber nicht bereit, sich zu quälen", sagt er, "besonders im Ringen muss man für sehr wenig Ertrag sehr viel aufwenden."

Adolf Seger ist nicht nur sich selbst, sondern auch seiner Stadt treu geblieben. Seit Jahren wohnt er im Haus des ehemaligen Freiburger Oberbürgermeisters Eugen Keidel. "Es ist eine Anerkennung, weil ich niemals von Freiburg weg bin, trotz erstklassiger Angebote." So schlug der Ringer-Star einst eine Offerte aus der US-amerikanischen Wrestling-Liga ab. "Mir wurde gesagt: Sei kein Träumer. Das ist die Chance deines Lebens. 100 000 Mark im Jahr, das war damals sehr viel Geld", erzählt Seger. Er lehnte ab. Glamour und Spektakel statt sportlicher Wettkampf und Schweiß, das ist nicht seine Welt. "Ich hätte mich nicht mehr im Spiegel anschauen können. Da ist doch nur Show", sagt er.

Dass das wahre Leben sehr hart sein kann, dessen ist sich Seger bewusst. Er engagiert sich für die Kinderkrebshilfe, indem er regelmäßig an Benefizveranstaltungen teilnimmt. Für den guten Zweck trat er sogar nochmals in den Ring, bei den Ringer-Veteranen-Masters. Dort gewann er zehnmal den Weltmeistertitel - dafür waren 30 000 Euro Preisgeld ausgelobt. "Den Betrag wollte ich der Stiftung spenden. Ich gewann, doch von dem Preisgeld habe ich nichts gesehen", sagt Seger zerknirscht. Es liegt am Kleingedruckten: Angeblich wurde das Geld nicht ausbezahlt, weil Seger nicht zehnmal in Folge, sondern mit einer Unterbrechung triumphiert hatte.

Bekannt und beliebt ist der Mann in Freiburg noch immer. Bei den Kommunalwahlen stand er auf der Liste der Freien Wähler. Bei einer Wahl zum beliebtesten Freiburger landete er auf Platz elf - jedoch wurden viele Stimmzettel, die seinen Namen trugen, für ungültig erklärt, da sie von Segers Sympathisanten gebastelt worden waren. "Ansonsten hätte ich wohl gewonnen", behauptet Seger. Das war eine der wenigen Niederlagen, die der bärenstarke Briefträger im Laufe seines Lebens hinnehmen musste.