Kann Integration in den ländlichen Raum gelingen, und welche Bleibeperspektiven gibt es dort für Flüchtlinge? Diese und ähnliche Fragen waren Thema eines Podiumsgesprächs in der Unterbrüdener Ratsscheuer. Foto: Pascal Thiel

Fachleute diskutieren bei einem Podiumsgespräch in der Ratsscheuer in Auenwald-Unterbrüden über Chancen und Schwierigkeiten der Vermittlung von Flüchtlingen als Arbeitskräfte in die Landwirtschaft.

Auenwald - Auf der einen Seite gibt es Flüchtlinge, die eine Arbeit suchen, auf der anderen Seite Landwirte, die eine solche in ihren Betrieben in Hülle und Fülle zu bieten haben. Doch lassen sich ihre Interessen zusammenbringen? Kann Integration in den ländlichen Raum gelingen, und welche Bleibeperspektiven gibt es dort für Flüchtlinge? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hatten der Bezirksarbeitskreis Backnang des Evangelischen Bauernwerks, der Verein Landwirtschaftliche Fachbildung Rems-Murr-Kreis und der Kreisdiakonieverband am Donnerstagabend zu einem Podiumsgespräch in die Unterbrüdener Ratsscheuer eingeladen.

Wie groß der Bedarf auf beiden Seiten ist, machten die Erzählungen von Georg Enssle, dem Leiter des Landwirtschaftsamtes am Landratsamt, sowie von Philipp Eisele und Bettina Boy vom Iba-Team (Integration, Beratung, Arbeit) des Jobcenters und der Arbeitsagentur Waiblingen, deutlich. „Wir bekommen täglich Anfragen nach Mitarbeitern, sowohl für den hauswirtschaftlichen als auch den landwirtschaftlichen Bereich“, berichtete Enssle über die 1200 Bauernhöfe, für die sein Amt Ansprechpartner ist.

Die Iba erreichen diese offenbar nicht. „Aus der Landwirtschaft haben wir wenig Angebote gemeldet“, sagte Boy. Derweil läuft die Vermittlung der 2000 Flüchtlinge, welche die Iba betreut, wohl eher schleppend. 70 konnte das Team bisher in Arbeit bringen und 40 in eine Ausbildung. Woran es hängt? „77 Prozent haben einen extremen Nachholbedarf bei der Sprache und nur etwa 20 Prozent verfügen über Qualifikationen und Schulabschlüsse“, erklärte dazu Eisele.

Kirstin Simon, die auf ihrer Reitanlage Wellerhof in Aspach seit Februar einen syrischen Flüchtling beschäftigt, und sich zudem im Arbeitskreis „Asylanten willkommen in Aspach“ (Awia) ehrenamtlich engagiert, sieht in Sprachbarrieren nicht das Problem. Solche Schwierigkeiten habe sie auch bei ihren landwirtschaftlichen Helfern aus Rumänien. „Was hingegen sicher ausbremst, ist die Mindestlohngeschichte von 8,50 Euro pro Stunde“, meinte Simon. „Wenn man jemanden für so viel Geld beschäftigt hat, dann muss die Arbeit auch effektiv sein. Aber das Einlernen und die Sprachfertigkeiten brauchen Zeit.“

Könnte man einen Flüchtling denn nicht auch als Auszubildenden einstellen – für einen dementsprechend geringeren Lehrlingslohn und ihm dafür Wohnraum und Verpflegung stellen, wollte ein junger Landwirt aus dem Publikum wissen. Das sei schon möglich, antwortete ihm Eisele. „Aber wir von der Iba raten für eine Ausbildung dazu, dass derjenige mindestens einen B1-Abschluss haben sollte.“ Andernfalls komme dieser in der Berufsschule sprachlich nicht mit. „Die Sprachschwierigkeiten werden bald ausgeräumt sein“, zeigte sich dagegen die Flüchtlingskoordinatorin des Kreisdiakonieverbandes, Marion Scheffler-Duncker, optimistisch.

Doch bleiben damit noch ganz andere Schwierigkeiten, wie etwa der Einwurf einer Zuhörerin deutlich machte: „Landwirtschaftliche Betriebe brauchen im Frühjahr und Herbst Helfer, aber nicht das ganze Jahr.“ Dazu kommt, dass erst einmal eine Arbeitserlaubnis beantragt werden muss, um einen Flüchtling einzustellen. „Das Prozedere ist relativ aufwendig“, berichtete Simon. Und auch im Aspacher Asyl-Arbeitskreis stehe sie immer wieder vor allem vor einem Problem: „Wir kämpfen mit den Behörden.“