Viktoriia Kondratenko, Buchhalterin aus der Ukraine, arbeitet jetzt für Thomas Eger, Geschäftsführer vom Getränkecenter Bayha in Esslingen. Foto: Ines Rudel

Während die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften sucht, fallen gut ausgebildete Frauen mit ausländischen Abschlüssen oft durchs Raster. Die Stadt Esslingen will vermitteln und hat das Projekt Karrierebrücken ins Leben gerufen. Die ersten positiven Beispiele gibt es schon.

Frauen aus dem Ausland sind oft top ausgebildet, arbeiten aber nicht oder nur in fachfremden, unterqualifizierten Jobs. Das möchte die Stadt Esslingen mit ihrem vom Land geförderten Projekt Karrierebrücken ändern und Wege ebnen in die Arbeitswelt. Oft sei der finanzielle Druck bei diesen Frauen nicht groß, etwa weil sie über ihren Partner abgesichert sind, sagt Jitka Sklenářová, Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Esslingen, viele würden sich zudem wenig zutrauen.

 

Es reicht ein Steckbrief als Bewerbung

Langfristig sei es aber wichtig, dass Frauen auf eigenen Beinen stehen, nicht zuletzt mit Blick auf Rente und Altersarmut. „Das ist auch ein unglaublicher Schatz an Wissen und Erfahrung, der sonst verloren geht“, sagt Meike Schmeil, die Leiterin des beim Amt für Soziales, Integration und Sport angesiedelten Projekts. Eine Konkurrenz zur Arbeitsagentur wolle man nicht sein. „Unsere Aufgabe ist eher die eines Headhunters“, sagt Jitka Sklenářová. 14 junge Frauen aus sieben Ländern sind derzeit in der Kartei. Dass die städtischen Mitarbeiterinnen sie alle persönlich kennen, öffne Türen bei den Firmen.

Eine aufwendige Bewerbung ist nicht erforderlich. Auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse entfällt, die langwierig und teuer ist und daher für viele ein weiteres Hindernis bei der Arbeitssuche darstellt. Die Kandidatinnen füllen nur einen kurzen Steckbrief aus, der intern an das Amt für Wirtschaft weitergereicht wird. Das nutzt seine Kontakte und sucht ein passendes Esslinger Unternehmen, bei dem die Bewerberinnen zunächst ein 14-tägiges Praktikum absolvieren. Sind beide Seiten zufrieden, ist eine Festanstellung möglich.

Deutschkenntnisse sind wichtig im neuen Job

Viktoriia Kondratenko war in der Ukraine Buchhalterin und arbeitet in diesem Bereich jetzt beim Getränke-Center Bayha. Die 36-Jährige ist 2022 mit ihrer Familie vor dem Krieg geflüchtet. Sie ist glücklich über den Job, auch wenn sie vieles neu lernen muss, denn es gebe durchaus Unterschiede bei der Buchhaltung. „Es ist toll und ich habe sehr nette Kollegen“, sagt Kondratenko. Noch hat sie wegen des Sprachkurses nur einen Minijob und kommt stundenweise in den Betrieb. Doch das soll sukzessiv ausgeweitet werden. Alle Bewerberinnen brächten so gute Deutschkenntnisse mit, dass sie ohne Handyapp kommunizieren könnten, betont Meike Schmeil. „Dass sie weitere Sprachkurse besuchen, zeigt, wie engagiert sie sind. Ihre Lernkurve geht steil nach oben“, sagt sie. Allerdings müssten die Betriebe flexibel sein.

Für das Projekt Karrierebrücken arbeiten die Vertreterinnen mehrerer Esslinger Ämter zusammen. Foto: Ines Rudel

Bei Bayha freut man sich sehr über die neue Kollegin. „Sie hat ein sehr gutes Zahlenverständnis und ist sehr penibel“, lobt die externe Personalreferentin, Gudrun Engel. Der Betrieb mit rund 50 Beschäftigten konnte die Stelle lange nicht besetzen. Thomas Eger, Geschäftsführer bei Getränke Bayha, hofft, dass sich das Projekt bei Arbeitgebern noch weiter herumspricht, es sei eine Win-Win-Situation.

Lokale Wirtschaftsförderung

Fachkräftemangel sei einer der drei wichtigsten Standortfaktoren, bestätigt Christine Clement-Wiegand, Leiterin des Amts für Wirtschaft. „In der wirtschaftsstarken Region konkurrieren viele Firmen um das Personal“, sagt sie. Das Projekt Karrierebrücken sei deshalb auch eine niederschwellige Förderung der lokalen Wirtschaft. Unternehmen, die Personal suchen, können sich bei der Stadt melden. Vor allem die kleineren und mittleren Betriebe würden zwar gute Arbeitsbedingungen bieten, bei der Personalsuche aber manchmal etwas im Schatten namhafter Großunternehmen stehen, sagt Leonie Trautvetter vom städtischen Gewerbegebietsmanagement Ost.