Bei strahlendem Herbstwetter nehmen die Haßmersheimer Abschied von ihrer Fähre. Nun gehört sie Heilbronn. Foto: Obertrave

Die Neckarfähre in Haßmersheim hat seit 2014 ausgedient – verschrottet wurde sie aber nicht. Ein Glück, denn bei der Bundesgartenschau in Heilbronn soll sie auf dem Neckar eine neue Nutzung erfahren.

Heilbronn - Die drei Schläge der Schiffsglocke standen für die drei Worte: „In Gottes Namen“. Als die Schiffsglocke der Haßmersheimer Fähre vor drei Jahren für die letzte Fahrt angeschlagen wurde, dachten viele Haßmersheimer noch ein viertes Wort hinzu: „Amen“. 2014 fand die seit 1330 bestehende Fährverbindung über den Neckar unterhalb der Burg Guttenberg mit einer Fahrt den Neckar hinauf nach Heilbronn endgültig ihr Ende. Denn ein eiserner Brückensteg in der Nähe hatte sie überflüssig gemacht. Dass die Fähre trotzdem nicht verschrottet wurde, war zunächst dem Widerstand vieler Haßmersheimer zu verdanken – und dann der Idee des Bad Wimpfeners Wolfgang Baars: Er schlug vor, die Fähre 2019 zu einer Attraktion für die Bundesgartenschau (Buga) in Heilbronn zu machen. Viel Überzeugungsarbeit musste nicht geleistet werden, das Übrige tat der Kaufpreis: Für einen Euro erwarb Heilbronn die Fähre von Haßmersheim. Am Dienstag wechselte das Schiff nun offiziell den Besitzer.

Zur Übergabe ihrer Fähre an Heilbronn sind viele Haßmersheimer gekommen, ihnen fällt der Abschied sichtlich schwer. Unter ihnen ist auch Bernd Raudenbusch, der letzte Kapitän der Fähre. Der Schiffer fuhr in jungen Jahren zwischen Rotterdam und Budapest, bevor er auf die Fähre umstieg. Er und all die anderen Haßmersheimer, die am sonnigen Neckarufer das letzte Auslaufen der Fähre begleiten, haben etliche Geschichten zu erzählen. Und die Fähre ihrerseits soll nun in zwei Jahren in Heilbronn eine Geschichte erzählen.

Der Geschäftsführer möchte Emotionen wecken

Der Buga-Geschäftsführer Hanspeter Faas, der gerade von der Internationalen Gartenausstellung (IGA) in Berlin zurückgekehrt ist, wo eine Heilbronner Delegation den Staffelstab für die Buga 2019 übernommen hat, sagt, er habe dort viel gelernt, was eine Buga erfolgreich mache: Tulpen wüchsen überall gleich hoch, aber die Geschichten seien immer andere, damit müsse man Emotionen wecken.

In dieses Konzept passt die Fähre, sie unterstreicht sowohl die geografische als auch die historische Verbindung der Gartenschau zum Neckar. Und sie macht diese Geschichte erlebbar: Die Gartenschau und der neue Stadtteil Neckarbogen entstehen auf zugeschütteten Hafenbecken entlang des Neckars. Dort soll die Fähre für die Bundesgartenschau so verankert werden, dass sie als Veranstaltungsort und als vom Uferhang aus einsehbare Bühne dienen kann. Diese zweite Spielstätte (neben der großen Bühne für 2000 Besucher) soll unterschiedlich genutzt werden, für Gottesdienste ebenso wie für Open-Stage-Veranstaltungen; vor allem aber ist sie für das Chorfest des Schwäbischen Chorverbandes während der Buga gedacht. Mit dabei sein sollen darüber hinaus auch die Haßmersheimer: Der Buga-Geschäftsführer Faas hat sie eingeladen, „ihre“ Fähre den Gartenschau-Besuchern zu präsentieren.

Die Schiffsglocke bleibt in Haßmersheim

Die Kosten für die Umrüstung der Fähre liegen laut Faas im niedrigen fünfstelligen Bereich. Erste Umbauten wurden auf der Werft von Philipp Ebert & Söhne in Neckarsteinach bereits vorgenommen. Ansonsten habe man, betont Berthold Stückle, der Leiter des Buga-Projektmanagements, aber alles so belassen wie es war. Der Haßmersheimer Bürgermeister Michael Salomo, der 2014 als jüngster Bürgermeister Deutschlands ins Amt kam, ist gleichermaßen froh und beruhigt, dass die ehemalige Fähre als Kulturgut erhalten bleibt. Den Heilbronnern als neuen Besitzern hat er einen Schiffswimpel als Geschenk mitgebracht. Die Schiffsglocke aber wird noch schnell vor der letzten Fahrt abgehängt: Sie gehört Haßmersheim und soll auch dort bleiben.

Die Familie Heuss und Haßmersheim

Vor 40 Jahren gab es in Haßmersheim noch etwa hundert Schiffer-Familien, jetzt noch fünf. Eng verbunden mit der Geschichte des Schifferortes ist die Familie Heuss, sie stammt von dort, und dort leben noch einige Nachfahren der weit verzweigten Sippe. Sie alle waren oder sind Schiffer. 1960 besuchte der Altbundespräsident Theodor Heuss die Heimat seiner Vorfahren. Darauf ist auch Theodor Heuss, ein Nachfahre des früheren Bundespräsidenten, besonders stolz. In der Ortschronik gibt es ein Foto vom letzten Besuch des Bundespräsidenten und einer Fahrt auf der Fähre.

Doch die Verbindungen reichen noch weiter zurück: Friedrich Heuss, der Urgroßonkel des Bundespräsidenten Theodor Heuss, nahm 1840 als erster den Schiffsverkehr zwischen Holland und Heilbronn auf, sein Schiff hieß „Patriot“. Fritz Müßig, Ortschronist, Heimatforscher und Heuss-Abkömmling, erinnert auch an die Beziehungen zwischen Heuss, Haßmersheim und der Badischen Revolution 1848/49. Es waren Haßmersheimer Schiffer, die die Freiheitsideen in den Ort brachten und eine Bürgerwehr aufstellten – einer der Revolutionsführer war Friedrich Heuss. Eine schwarz-rot-goldene Fahne des Revolutionsjahrs 1848 hängt bis heute im Amtszimmer des Bürgermeisters im Rathaus, Heuss trug sie bei einem Marsch der Revoluzzer allen voran.