Henriette Reker stellt sich vor ihrer Aussage vor Gericht den Fragen der Presse. Foto: dpa

Vor Gericht hat die Kölner OB Henriette Reker ruhig und detailgenau den Ablauf des Attentats geschildert. Seit dem habe sie hin und wieder„schlimme Alpträume“. Nerven zeigt sie erst, als der Attentäter zu ihr sprechen will.

Düsseldorf - „Ich habe gemerkt, dass ich aus Mund und Nase blute“, sagt Henriette Reker (59) über jenen Moment, als ihr Attentäter Frank S. das lange Bowiemesser in den Hals gerammt hatte. Zuvor sei er auf sie zu gekommen und habe sehr freundlich nach einer Rose gefragt. Sie sei ihm einige Schritte entgegengegangen. Dann habe sie noch das Messer aufblitzen sehen. Der Angriff sei für sie völlig überraschend gewesen.

Über eine Stunde lang musste Reker am Freitag im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts schildern, was am Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin im vergangenen Oktober widerfuhr: „Ich habe das Gefühl gehabt, mir ist die Kehle durchgeschnitten worden. Das ist ja eine Hinrichtungsmethode.“

Die ganze Zeit bei Bewusstsein

Sie sei zu Boden gefallen, habe sich in eine stabile Seitenlage gebracht, mit einem Finger in der Wunde versucht, die Blutung einzudämmen und auf den Krankenwagen gewartet. „Ich hatte große Sorge, gelähmt zu sein“, sagt sie. „Nach meinem Gefühl hatte das Messer den Hals völlig durchstoßen.“ Tatsächlich schwebte Reker in Lebensgefahr, und einer Querschnittslähmung entging sie ebenfalls denkbar knapp: Ihre Luftröhre war durchtrennt, ein Brustwirbel von der Klinge gespalten.

Die ganze Zeit bis ins Krankenhaus sei sie bei Bewusstsein gewesen, berichtet sie. Dann habe sie vier Tage im künstlichen Koma gelegen. Nach dem Aufwachen sagen ihr die Ärzte, dass sie „sehr, sehr großes Glück“ gehabt habe: Spinalkanal knapp verfehlt, Halsschlagader knapp verfehlt. Die Klinge müsse sehr scharf gewesen sein. Attentäter Frank S. hatte behauptet, sie sei „total stumpf“ gewesen.

Träume von Exekutionsszene

Die Konfrontation mit dem Angeklagten mache ihr nichts aus, hatte Reker unmittelbar vor ihrer Vernehmung gesagt. Dann sitzt acht Meter von ihr entfernt jener Mann, der sich „Berserker“ auf den Bauch tätowiert hat - umgeben von fünf Wachtmeistern. Reker sitzt alleine in der Mitte des großen Saales.

Seit dem Attentat werde sie hin und wieder von „schlimmen Alpträumen“ heimgesucht: „Die kannte ich vorher nicht.“ Es handele sich um eine Exekutionsszene. „Ich träume zum Glück immer nur bis zu der Stelle, wo mir die Kapuze über den Kopf gezogen wird.“

Sie müsse sich einer weiteren Operation unterziehen, weil sie immer noch Beschwerden habe. In psychotherapeutischer Behandlung sei sie aber nicht, sagt Reker. Ein Arzt sei mit ihr der Ansicht gewesen, dass sie robust genug sei, das Erlebte auch so zu verarbeiten.

Reker stockt die Stimme

Der Attentäter oder seine Anwälte hätten sich bislang nicht an sie gewendet, sagt Reker auf Nachfrage von Richterin Barbara Havliza. Kein Wort der Reue oder des Bedauerns. Im Gerichtssaal hatte Frank S. sein Opfer erst vor wenigen Tagen als „linksradikale Schickeria-Ideologin“ tituliert.

Nach gut einer Stunde geht das Fragerecht an die Verteidiger über: Ob ihr Mandant einige entschuldigende Worte an sie richten dürfe, will der Anwalt wissen. Das ist der Moment, in dem die 59-Jährige doch noch mit der Fassung ringt: „Ich glaube, das ist noch nicht die richtige Situation“, sagt Reker mit erstickter Stimme. Dann darf sie gehen.