Rund um den Atommeiler in Neckarwestheim existiert eine Sicherheitszone. Foto: Kuhnle

Die Kommunen fordern ein Mitspracherecht bei der Lagerung von Atommüll und Entschädigungen, weil das Kernkraftwerk stillgelegt wird.

Neckarwestheim/Gemmrigheim - Wer den Neckarwestheimer Bürgermeister Mario Dürr oder die Gemmrigheimer Bürgermeisterin Monika Chef auf das Thema Atompolitik anspricht, muss mit harschen Worten rechnen. Wie die meisten ihrer Kollegen an Kernkraftwerksstandorten in ganz Deutschland sind sie alles andere als einverstanden mit der Politik: Die Kommunen befürchten, die Zeche für die Energiewende bezahlen zu müssen und als Endlager für Atommüll zu enden. Am Sonntag und Montag haben sie sich bei einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland (Asketa) ausgetauscht und gemeinsame Forderungen aufgestellt: Sie wollen eine Entschädigung und in allen Gremien mit Sitz und Stimme vertreten sein, die sich mit der Lagerung von Atommüll befassen.

Kommunen wollen bisherige Zwischenlager erhalten

„Das Thema Endlager ist ja nicht neu, aber bei den früheren Umweltministern Trittin und Gabriel konnten wir wenigstens mitdiskutieren. Bei Röttgen weiß man bisher noch nicht mal, wer überhaupt mitreden darf“, kritisiert Dürr, der am Montag zum stellvertretenden Vorsitzenden der Asketa gewählt worden ist. Wenn es nach den Kommunen gehe, blieben die beiden bisherigen zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus erhalten. Denn andernfalls, so die Sorge, würde der dort gelagerte Atommüll an seine Herkunftsorte zurückgebracht. Das aber würde nicht nur Castortransporte quer durch die Republik bedeuten, sondern vor allem zusätzlichen strahlenden Abfall in den Zwischenlagern an den bisherigen Kraftwerksstandorten.

Die Kommunen befürchten, dass aus den Zwischenlagern vor Ort faktisch Endlager für Atommüll werden, wenn kein Ersatz für Gorleben gefunden wird. „Das würde die Entwicklung vor Ort auf Jahrzehnte blockieren“, erläutert Dürr. In Neckarwestheim und Gemmrigheim seien es beispielsweise insgesamt rund 30 Hektar, die als atomare Sicherheitszone gälten. „Solange wir nicht wissen, wie es dort weitergeht, können wir nicht planen, was aus dem Gelände werden soll“, erklärt er. „Alle wollen den Abbau, aber keiner sagt, wie die reale Umsetzung aussehen soll“, schimpft er.

Entschädigungen für Gemeinden gefordert

Hinzu komme, dass durch die Stilllegung im Lauf der Zeit Hunderte von Arbeitsplätze wegfielen. In einer Erklärung spricht die Asketa deswegen von einem „sozialen Kahlschlag“ und einem „immensen Verlust an Kaufkraft, Wertschöpfung und Steuereinnahmen“, der deutschlandweit „mit mehreren Milliarden Euro“ zu beziffern sei. Die Arbeitsgemeinschaft fordert Dürr zufolge deswegen Entschädigungen für die Gemeinden. Schließlich sei den Bundeswehrstandorten, die jetzt aufgelöst würden, ebenfalls eine Kompensation versprochen worden. Den Kernkraftwerksstandorte, die schlimmere Folgen zu tragen hätten, sei hingegen bisher jede Hilfe verwehrt geblieben.

Der Ton, den die Kommunen in ihrer Erklärung anschlagen, ist polemisch und kämpferisch, das will Dürr nicht leugnen. „Aber es ist schon recht viel verlangt, ruhig zu bleiben und zu sagen, die Politik ist verlässlich.“ Schließlich hätten die Kommunen innerhalb von gerade mal einem Jahr gleich mehrere Kehrtwendungen mitmachen müssen: Vom Ausstieg Nummer eins über die Laufzeitverlängerung bis hin zum Ausstieg Nummer zwei nach Fukushima.

Allerdings haben Dürr und Monika Chef selbst ebenfalls eine kleine Kehrtwendung gemacht: Direkt nach Fukushima hatten beide beteuert, sie sähen einen Ausstieg aus der Atomkraft lieber heute als morgen.