Wird es Habeck gelingen, seine Atomkraft-Pläne mithilfe der FDP umzusetzen? Foto: dpa/Oliver Ziebe

Der Kampf gegen die Atomkraft gehört zur Identität der Ökopartei. Angesichts der Energiekrise wächst der Druck, die Meiler laufen zu lassen.

Bei den Grünen sind in den vergangenen Monaten gleich reihenweise die Tabus gefallen. Egal, ob die Wiederinbetriebnahme klimaschädlicher Kohlekraftwerke, der Bau von Flüssiggasterminals an den Küsten oder die Lieferung von Waffen an die Ukraine: Im Angesicht des russischen Angriffskriegs hat sich die Öko- und Friedenspartei als sehr wendig erwiesen.

Ein Aufschrei der Basis blieb aus. Es gibt da allerdings ein Thema, bei dem die Berliner Parteistrategen nicht auf Milde ihrer eigenen Klientel hoffen können. Und das ist der Atomausstieg. Nach der geltenden Rechtslage muss Ende dieses Jahres Schluss sein mit der Atomkraft hierzulande. Nun steckt aber Europa inmitten einer schweren Energiekrise. Und die Rufe, die drei verbliebenen Meiler vorübergehend am Netz zu halten, werden immer lauter.

Lindner will Atomkraft fortführen

FDP-Chef Christian Lindner etwa fordert mit Blick auf die hohen Strompreise einen Weiterbetrieb bis ins Jahr 2024. „Ich rate dringend dazu, dass wir alle Kapazitäten sichern“, sagt der Finanzminister. Ähnlich sehen das die Brüsseler EU-Kommission sowie Vertreter der deutschen Wirtschaft und die Unionsparteien.

Die Grünen beeindruckt das nur mäßig. Ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck hat einen Plan ausgearbeitet, mit dem er den Befürwortern längerer Laufzeiten etwas entgegenkommt, zugleich aber das Aus für die Atomkraft bestätigt: Das Kraftwerk Emsland in Niedersachsen – wo am 9. Oktober Landtagswahlen stattfinden – soll wie geplant Ende 2022 vom Netz gehen. Die Anlagen Neckarwestheim (Baden-Württemberg) und Isar 2 (Bayern) will der Minister in eine Einsatzreserve überführen. Sie sollen aber bis in den April hinein weiter Strom liefern können, sofern das für die Netzstabilität erforderlich ist. Danach soll auch hier Schluss sein, versichert Habeck. Die Atomkraft bleibe eine „Hochrisikotechnologie“. Man darf nicht vergessen, dass die Grünen ihre Wurzeln in der Anti-Atom-Bewegung haben.

Einigung in der Koalition noch ungewiss

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Habecks Pläne wohlwollend. Auch beim Grünen-Parteitag Mitte Oktober dürften sie mehrheitsfähig sein. Aber es ist vollkommen offen, wie die Debatten in der Koalition ausgehen werden. Die FDP weiß, dass sie für die erforderlichen Gesetzesänderungen gebraucht wird. Bei den Grünen aber glauben sie, selbst am längeren Hebel zu sitzen: Gibt es keine Einigung, dann gilt das bestehende Gesetz zum Atomausstieg weiter – mit dem Enddatum 31. Dezember 2022.