Angebot von Bund an Länder: Erkundungsarbeiten sollen noch 2012 eingestellt werden.

Berlin - Trotz des Neustarts bei der Endlagersuche erhitzt Gorleben weiterhin die Gemüter. Atomkraftgegner fordern, den Standort endgültig aufzugeben. Soweit will die Bundesregierung nicht gehen, immerhin aber sollen die Erkundungsarbeiten „noch in diesem Jahr“ eingestellt werden. Wie am Freitag bekannt wurde, unterbreitete der Bund den Ländern dieses Angebot. Bislang ist der Salzstock im niedersächsischen Gorleben der einzige, der als möglicher Standort für ein Atommüllendlager erkundet wird.

Mitte November vergangenen Jahres hatten sich Bund und Länder darauf verständigt, bei der Suche nach einem geeigneten Standort für hochradioaktiven Müll noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Atomkraftgegner wollen den Salzstock aus der Suche komplett ausnehmen. Gorleben sei „verbrannt“, argumentieren sie.

Im Streit über den Standort Gorleben geht es im Wesentlichen um zwei Fragen: Ist der Salzstock aus geologischer Sicht überhaupt für die Lagerung radioaktiver Abfälle geeignet? Und: Waren es womöglich politische Kriterien, die den Ausschlag für die Konzentration auf Gorleben bei der Endlagersuche gegeben haben? Seit fast zwei Jahren geht ein Untersuchungsausschuss im Bundestag diesen Fragen nach.

Wie aus Akten der 70er-Jahre hervorgeht, wurden ursprünglich ganz andere Standorte favorisiert. Unter anderem die niedersächsischen Salzstöcke Wahn im Emsland, Weesen-Lutherloh bei Celle und Lichtenhorst bei Nienburg. Gorleben kam bei einer Studie, die im Auftrag des Ministeriums für Forschung und Technologie zwischen 1974 und 1976 erstellt wurde, nicht einmal in die engere Wahl. Auch der TÜV Hannover setzte auf einen anderen Standort, das schleswig-holsteinische Nieby.

Hinweis auf Gorleben erst im November 1976

Erst im November 1976 tauchte ein Hinweis auf Gorleben in einem handschriftlichen Besprechungsvermerk in den Akten der niedersächsischen Staatskanzlei auf. Bereits drei Monate später, Ende Februar 1977, fiel die Entscheidung - zugunsten des Standorts im Wendland.

Die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) kam 1983 in einem Zwischenbericht ebenfalls zu dem Schluss, dass es „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ (5. Mai 1983) nicht möglich sei, „die Barrierewirkung am Standort Gorleben abschließend zu bewerten“. Das Risiko könne jedoch durch „vorsorgliche Erkundungsmaßnahmen an anderen Standorten“ verringert werden. Doch die Gorleben-Befürworter setzten sich durch: In der Endfassung desselben Gutachtens ist von der Erkundung alternativer Standorte keine Rede mehr. Stattdessen heißt es dort, die bisherigen Erkenntnisse über den Salzstock Gorleben hätten die Hoffnung auf Eignung des Standorts „voll bestätigt“.

Am 13. Juli 1983 fällte das Bundeskabinett die Entscheidung für die untertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben. Kritiker werfen der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) - denn diese war mittlerweile im Amt - vor, sie habe das Gutachten manipulieren lassen.

Linke erheben Vorwürfe auch gegen Merkel

Manipulationen, Mauscheleien, Vorfestlegungen: Ähnliche Vorwürfe haben in der Debatte über Gorleben seit mehr als 30 Jahren Tradition. Die Kritik richtet sich gegen alle Regierungen, auch die Bundeskanzlerin und frühere Umweltministerin Angela Merkel (CDU) ist davon nicht ausgenommen. Die Linksfraktion im Bundestag veröffentlichte Anfang Februar mehrere Dokumente, die belegen sollen, dass Merkel die Öffentlichkeit in Bezug auf Gorleben „vorsätzlich getäuscht“ habe.

Hintergrund ist eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von 1995, in der 41 Salzformationen auf ihre mögliche Eignung als atomares Endlager untersucht worden waren. Gorleben selbst war nicht Gegenstand der sogenannten Salzstudie. Bei der Vorstellung der Studie im August 1995 wertete Merkel die Erkenntnisse dennoch als Bestätigung für den Standort. „Die Untersuchungsergebnisse der BGR zeigen für mich, dass es keinen Grund gibt nach Ersatzstandorten zu suchen. Gorleben bleibt erste Wahl“, betonte Merkel am 28. August 1995 in einer Presseerklärung.

Nach Einschätzung der Linken konnte es Merkel damals jedoch nicht verborgen geblieben sein, dass „ihr Standort“ den Anforderungen nicht genügt habe. Auch die Grünen bezeichneten Merkels Schlussfolgerungen zu Gorleben als höchst sonderbar.

Ob die Entscheidung für Gorleben tatsächlich auf Grundlage von Vorfestlegungen getroffen wurde, wird womöglich der Untersuchungsausschuss des Bundestags bewerten. Bund und Länder müssen dagegen entscheiden, welche Rolle Gorleben bei der Endlagersuche noch spielen soll. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) setzt darauf, bis zur Sommerpause ein Gesetz zur Standortauswahl beschließen zu können.