Dieses Bild im geplanten Atomendlager im französischen Bure entstand im Januar 2013. Foto: dpa

Mit einem Verfassungskniff hat Frankreich sein Atommüll-Endlager im lothringischen Ort Bure auf den Weg gebracht. 2025 könnte dort bereits Atommüll eingelagert werden. Deutschland protestiert – aber das wird wenig nützen.

Paris - In letzter Minute hat Frankreichs Regierung vor einigen Wochen zwei Seiten Text in ein ohnehin umstrittenes Wirtschaftsgesetz eingefügt. Der Passus hat es in sich, denn er forciert das geplante Atommüll-Endlager in Lothringen, nur etwas mehr als 120 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Dank eines Verfassungskniffs ging das Gesetz ohne Abstimmung durchs Pariser Parlament – seitdem köchelt es in den deutschen Grenzregionen.

Umweltpolitiker sehen im „Loi Macron“ eine Vorfestlegung auf den Standort im kleinen Dorf Bure westlich von Nancy. Die Grünen-Chefin Simone Peter sprach von einem „Affront“. „Die Entscheidung zum Atommüllendlager in einem Gesetz für mehr Wirtschaftswachstum zu verstecken, widerspricht allen Regeln der Transparenz und der gut nachbarschaftlichen Beziehungen“, wetterte der SPD-Europaabgeordnete und einstige Saar-Umweltminister Jo Leinen. Der saarländische Landtag sprach sich sogar pauschal und einstimmig gegen die Einrichtung eines Endlagers in Bure aus.

Auch die Bundesregierung will nun Aufklärung von Paris. Das Umweltministerium wolle das Thema in der deutsch-französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen aufgreifen, sagte eine Sprecherin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Recht wenig Protest vor Ort

Anders als in Deutschland, wo die Frage nach dem Standort für den Atommüll seit zwei Jahren wieder völlig offen ist, läuft in Frankreich alles auf Bure hinaus. Es könnte das erste atomare Endlager im Herzen Europas werden. Vor Ort gibt es vergleichsweise wenig Protest, in einem Labor 500 Meter unter der Erde erforschen Wissenschaftler schon seit Jahren die Bedingungen für die Lagerung von mittel- und hochradioaktiven Abfällen.

Die Pariser Regierung betonte denn auch, dass sich mit dem neuen Gesetz gar nichts Grundsätzliches geändert habe. „Das Prinzip (der Einrichtung des Endlagers) wurde schon vor mehreren Jahren vereinbart“, sagte Umweltministerin Ségolène Royal, die dem Prinzip der Tiefenlagerung selbst eigentlich kritisch gegenübersteht. In der Tat legt ein Gesetz aus dem Jahr 2006 die Basis für das Vorhaben der Betreibergesellschaft Andra.

Sie will 2017 den Genehmigungsantrag stellen und drei Jahre später mit dem Bau beginnen. 2025 sollen dann erste strahlende Abfälle eingelagert werden, zunächst versuchsweise. Gedacht ist das Endlager für 10 000 Kubikmeter hochradioaktive Abfälle sowie 70 000 Kubikmeter langlebigen mittelradioaktiven Abfall. Der Atommüll soll im Fall der Fälle wieder zurückgeholt werden können. Die Kosten wurden 2009 auf 36 Milliarden Euro geschätzt, der Endbetrag ist nach einem Bericht der Zeitung „Le Monde“ noch nicht absehbar.

„Pilotphase“ oder Projektstart?

Das neue Gesetz von Mitte Juli schreibt die Pilotphase fest - für die Atomkraftgegner von „Burestop“ nichts anderes als das versteckte grüne Licht für das Projekt. Zudem wird das Prinzip der Rückholbarkeit festgeschrieben. „Der Änderungsantrag sieht also vor, dass künftige Generationen die Lagerung in tiefen Gesteinsschichten falls es wichtige technologische Fortschritte gibt, nicht nur stoppen können, sondern die eingelagerten Abfälle auch zurückholen können, um sie anders zu behandeln“, sagte Premierminister Manuel Valls.

Der Anti-AKW-Verband Sortir du Nucléaire bemängelte dagegen, just dieser Passus sei viel zu vage gehalten. Die französischen Grünen gingen auf die Barrikaden und sprachen wegen des Umgehens der Abstimmung im Parlament von einer „Kriegserklärung“ der Regierung.

Die rheinland-pfälzischen Energieministerin Eveline Lemke (Grüne) räumte ein, zwar bedeute das französische Gesetz keine endgültige Entscheidung. Die Änderungen im französischen Umweltrecht „sprichwörtlich in letzter Minute durchzubringen“, sei jedoch ein „legaler, aber heikler Trick im Gesetzgebungsverfahren“. Das Bundesumweltministerium äußert sich diplomatisch: Es zeigt „großes Verständnis“ für die Sorgen in den angrenzenden Bundesländern, verweist aber zugleich darauf, dass Frankreich souverän entscheide.

Umweltschützer in der Region kritisieren, Berlin verfolge das Thema nicht mit dem nötigen Nachdruck. Saar-Grünen-Chef Hubert Ulrich hofft jetzt auf die beiden Saarländer im Kabinett - Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD): „Wir müssen (Kanzlerin Angela) Merkel auf den Zug nach Paris setzen.“