Blick auf die Anlegestelle des Kernkraftwerks Obrigheim, das zurückgebaut wird: Von dort aus wurden im November Castor-Behälter per Schiff ins Zwischenlager nach Neckarwestheim transportiert. Foto: dpa

Die in der OEW zusammengeschlossenen Landkreise befürchten, bei einer Pleite der EnBW zur Kasse gebeten zu werden. Eine Insolvenz des Energieversorgers sie zwar „eher theoretischer Natur“, man wisse aber nicht, „was in 20 oder 30 Jahren ist“, meint der OEW-Vorsitzende Lothar Wölfle.

Stuttgart - Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) haben beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen das Nachhaftungsgesetz eingereicht. Nach diesem Ende Januar vom Bundestag verabschiedeten Gesetz können Anteilseigner auch mit ihrem Vermögen für mögliche finanzielle Folgen des Atomausstiegs herangezogen werden.

Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke, mit einem Anteil von 46,75 Prozent einer der beiden Großaktionäre der EnBW, befürchten, bei einer möglichen Insolvenz des Energieversorgers könnten sie aufgrund des Gesetzes zur Kasse gebeten werden. Dies könnte nach Ansicht von Lothar Wölfle, dem Vorsitzenden des Zweckverbandes OEW und Landrat des Bodenseekreises, für die neun an der OEW beteiligten Landkreise zu einem „Milliardenrisiko“ werden. Die OEW hält ihre Anteile an der EnBW über die OEW-Beteiligungsgesellschaft. Sollte die EnBW insolvent gehen, würde dies auch zur Insolvenz dieser Beteiligungsgesellschaft und dann der OEW führen. Da Landkreise wie andere Gebietskörperschaften aber nicht Pleite gehen können, müssten diese letztendlich mit ihren Haushaltsmitteln bei einer möglichen Insolvenz der EnBW einspringen. Damit schlage eine mögliche Insolvenz auf den Steuerzahler durch – was durch das Gesetz gerade verhindert werden sollte, erklärte Wölfle.

EnBW hat Erfahrung mit Kraftwerksabbau

Der Vorsitzende des Zweckverbandes räumte ein, eine Insolvenz der EnBW sei „eher theoretischer Natur“. Diese stehe finanziell inzwischen wieder recht gut da, zudem habe sie in Obrigheim bereits Erfahrungen mit dem Rückbau eines Atomkraftwerks gesammelt. Gleichwohl gelte es aber Vorsorge für kommende Generationen zutreffen, „da niemand weiß, was in 20 oder 30 Jahren ist“, so Wölfle.

Das Nachhaftungsgesetz war im vergangenen Dezember beschlossen worden, damit sich Konzerne nicht vor den Kosten für den Atomausstieg drücken können. Deswegen verlangt der Bund in diesem Gesetz, dass der „beherrschende Eigentümer“ auch mit seinem Vermögen haften muss. Bei den Energieversorgern RWE und Eon gibt es aber keinen derart beherrschenden Eigentümer. Bei RWE befindet sich ein Großteil der Aktien in Streubesitz, Eon hat die alten Kraftwerke behalten und die neue Gesellschaft Uniper gegründet, an der es nur noch 46 Prozent hält. Bei einer Insolvenz der Eon fielen nur noch 46 von Uniper in die Haftungsmasse. Die Haftung eines Gesellschafters treffe deshalb allein die OEW, meint Wölfle.

Bisher haften Aktionäre nur mit ihrem Anteil

Erstmals in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte werde mit diesem Gesetz die Trennung von Privatvermögen und Gesellschaftsvermögen aufgehoben. Bisher verlieren Aktionäre bei der Pleite einer Aktiengesellschaft zwar ihre Anteile, werden aber nicht mit ihrem Privatvermögen für die finanziellen Folgen herangezogen. Das Gesetz weite die Haftung für Kosten des Atomausstiegs „rechtsstaatswidrig“ auf bisher nicht haftende Gesellschafter eines Unternehmens aus, sagte Wölfle. Zudem verstoße es wegen der möglichen gravierenden Folgen für die an der OEW beteiligten Landkreise auch gegen die im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung.

Land nicht unter Zugzwang

Im Gesetzgebungsverfahrens hatten sowohl die OEW als auch das Land Baden-Württemberg Kritik an dem Vorhaben geübt. Das Land hält über seine Beteiligungsgesellschaft Neckarpri ebenfalls 46,75 Prozent an der EnBW und ist damit der zweite Großaktionär. Nach Auskunft des baden-württembergischen Finanzministeriums besteht für das Land jedoch keine Notwendigkeit, ebenfalls eine Beschwerde einzulegen. Bundesländer könnten jederzeit eine Normenkontrollklage einreichen, sagte eine Sprecherin. Für einen Zusammenschluss wie die OEW gilt dagegen eine einjährige Frist für eine Beschwerde. Am Montag hatte auch der Alb-Donau-Kreis zugestimmt, als Kläger aufzutreten.