Wer in Europa Asyl beantragen will, riskiert dafür oft sein Leben. Foto: /Fabian Heinz/Sea Eye

Die Ampelkoalition hat einen Vorschlag vorlegt, um endlich zu einer Lösung im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu finden. Doch der beruht auf einem großen Fehler, findet Rebekka Wiese.

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. Seit Jahren streiten die EU-Mitgliedsstaaten darüber, wie eine gemeinsame Asylpolitik aussehen könnte: ob die Grenzen kontrolliert werden sollen und wer das übernimmt, wie man die Schutzbedürftigen verteilt, wer bleiben darf und wer gehen muss. Jetzt sieht es so aus, als stehe eine Lösung bevor. Möglicherweise könnten die Mitgliedsstaaten schon bis Juni eine gemeinsame Position finden. Das zumindest wünscht sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die sich seit Wochen für eine schnelle Einigung einsetzt.

Doch auch wenn es eine gute Nachricht ist, dass sich die EU auf eine gemeinsame Asylpolitik einigen will: Der Vorschlag, auf den sich die Mitglieder nun verständigen wollen, beruht auf demselben Fehler, wie die meisten Ideen, die in den vergangenen Jahren diskutiert worden sind. Wieder geht es vorrangig um die Frage, wie man es schafft, Menschen von der Flucht nach Europa abzuhalten. Doch das allein ist keine Antwort auf die Frage, wie eine gerechte Asylpolitik aussehen kann.

Asylverfahren an den EU-Außengrenzen

Faeser will sich nun dafür einsetzen, die Asylverfahren an die Außengrenzen der EU zu verlagern. Dort sollen die ankommenden Migranten zunächst registriert und überprüft werden. Wer aus einem Drittstaat stammt, der nach deutscher Einstufung als sicher gilt, oder aus einem Land, aus dem nur wenige Asylbewerber anerkannt werden, durchläuft dann eine Art Speed-Asylverfahren. Dieses soll nach 12 bis 14 Wochen abgeschlossen sein. Bis dahin müssen die Asylbewerber in Migrationszentren bleiben.

Dass die Verfahren künftig Wochen statt Monate oder Jahre dauern sollen, ist zu begrüßen. Doch dass dieser Prozess an die Außengrenzen verlagert werden soll, ist fragwürdig. Dort sollen höchste menschenrechtliche Standards gelten, versprechen die zuständigen Stellen. Doch wer sich an Bilder aus Moria erinnert, wer Berichte über das Lager auf Lampedusa gelesen hat, weiß, wie unglaubwürdig diese Beteuerungen sind. Ohnehin stellt sich die Frage, wozu es nötig ist, diese Verfahren an den Außengrenzen stattfinden zu lassen. Als würden Probleme verschwinden, wenn man sie nicht selbst vor Augen hat.

Migrationsabkommen haben bislang nicht funktioniert

Es gibt noch eine dritte Stufe des Migrationsplans. Demnach will die EU mit einigen als sicher eingestuften Drittländern darüber verhandeln, welche legalen Wege der Migration man ihnen anbieten kann. Dafür sollen sie im Gegenzug abgeschobene Asylbewerber wieder zurücknehmen. Den Versuch, solche Migrationsabkommen zu verhandeln, gab es schon oft, einige wurden auch beschlossen. Nur: Funktioniert hat bislang keines.

Der Vorschlag lässt außerdem außer Acht, dass Schutzbedürftige ihr Recht auf Asyl derzeit kaum legal wahrnehmen können. Dabei müsste auch das bedacht werden, um Migration nach Europa endlich fair zu regeln. Dass nicht unbegrenzt viele Menschen in die EU einwandern können, dass das sozial, politisch und ökonomisch schlicht nicht umsetzbar wäre, steht außer Frage. Aber derzeit gibt es nicht mal Lösungen für die Schutzbedürftigen, die ein unstrittiges Recht auf Asyl haben. Um es geltend zu machen, müssen diese Menschen es aber zunächst in die EU schaffen – was meistens lebensgefährlich und teuer ist. Das ist ein Missstand. Es muss eine Lösung her, wie Asylberechtigte ihr Recht sicher wahrnehmen können. Dann kann man darüber nachdenken, wie man mit den Menschen umgeht, die nicht offiziell schutzbedürftig sind – und zwar auf menschenwürdige Weise.