Frank-Jürgen Weise verlässt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Jutta Cordt wird ihm folgen. Ihr schwerer Job: Scherben aufkehren, Stimmung verbessern, positive Zahlen liefern. Foto: dpa

Jutta Cordt übernimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einer schwierigen Phase und noch dazu in einem Wahljahr. Die Leistungsfähigkeit der Behörde mag besser geworden sein, aber die Stimmung ist grottenschlecht. Vorgänger Frank-Jürgen Weise hat ihr außerdem viele schwierige Fälle hinterlassen.

Berlin - Fast hätte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das Wichtigste vergessen. Schließlich war er nach Nürnberg ins Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gereist, um die zierliche Frau, die neben ihm steht, zu befördern. Ab 1. Februar 2017 wird Jutta Cordt Chefin einer Behörden sein, die so wichtig und so gefordert ist, aber auch so heftig kritisiert wird wie kaum eine andere. Das Antrittsgeschenk hatte er ihr schon überreicht, der Minister sah seine Aufgabe als erledigt an und wollte abtreten, als ihn der Hinweis ereilte, dass er die von Bundespräsident Joachim Gauck und ihm selbst unterzeichnete Ernennungsurkunde noch zu überreichen habe. Für de Maizière war danach der Job an diesem Vormittag erledigt. Für die 53-Jährige fängt der Schlamassel jetzt erst so richtig an.

Eines hat sie ja mit ihrem Vorgänger, Frank-Jürgen Weise, gemein, der zusätzlich zu seiner Aufgabe als Chef der Bundesagentur für Arbeit die Leitung des damals völlig überforderten BAMF im September 2015 übernahm und seitdem in der Behörde keinen Stein auf dem anderen beließ. Cordt und Weise fahren gern Motorrad. Die Verwaltungsjuristin weiß die Schubkraft ihrer 650er Moto Guzzi als Zeitvertreib sehr zu schätzen. Und von Weise weiß man, dass er sich in den Pausen während seiner Motorradtouren gern mit einer Zigarre einnebelt, um zu entspannen. Vielleicht ist die Kunst, so einen Feuerstuhl zu bändigen, ja nicht die schlechteste Voraussetzungen, um auf einem Schleudersitz Platz zu nehmen. Denn ein Schleudersitz ist diese Amtsleitung ganz ohne Zweifel, zumal in einem Wahljahr.

Weise führte mit harter Hand

De Maizière machte dies in seiner Rede auch unmissverständlich klar. Er wolle sich gar nicht ausmalen, wie die politische Lage jetzt aussähe, wäre es nicht gelungen, die Leistungsfähigkeit des BAMF innerhalb weniger Wochen deutlich zu erhöhen. Er unterlegte das mit Zahlen. Seit September 2015 sei die Zahl der Mitarbeiter von 3000 auf 9700 gestiegen, fast 700000 Entscheidungen über Asylanträge seien gefällt worden, fast zweieinhalbmal so viel wie 2015. Das alles hatte aber seinen Preis. Und den muss jetzt Cordt zahlen.

Sie muss das Porzellan aufkehren, das Weise zerdeppert hat. Denn die Stimmung in der Behörde ist wegen des Radikalumbruchs dem Vernehmen nach schlecht. Weise hatte, das war auch sein Auftrag, nichts als den Erfolg seiner Mission im Blick. Und die bestand nicht darin, nett zu sein, sondern die Verfahren zu beschleunigen und die Zahl der Entscheidungen in die Höhe schießen zu lassen. Mag sein, dass die passablen, keineswegs herausragenden Statistiken, die er hinterlässt, dem Innenminister Zeit verschafft, wenn nicht sogar das Amt gerettet haben. Aber in der Behörde tauschen sich viele Mitarbeiter mit der Leitung mittlerweile vornehmlich über Anwälte und Arbeitsgerichte aus, weil sich Weise über beamtenrechtliche Routinen und die Arbeitnehmervertretung regelmäßig hinweggesetzt hat. Kritiker monieren auch, dass Schnelligkeit vor Gründlichkeit gehe. Flüchtlingsorganisationen erkennen darin die Gefahr, dass das Schicksal der Flüchtlinge dadurch häufig nicht ausreichend gewürdigt werde. Hardliner in Sachen Sicherheit wiederum sehen in der angeblich mangelnden Sorgfalt bei der Bearbeitung die Gefahr, dass Kriminelle oder gar potenzielle Attentäter nicht erkannt werden. Um ansprechende Statistiken liefern zu können, habe Weise außerdem angeordnet, die komplizierten Fälle zunächst liegen zu lassen und die einfachen umso schneller abzuarbeiten. Dennoch wurde der Antragsstau aus dem Jahr 2015, anders als von Weise angestrebt, noch immer nicht endgültig abgearbeitet.

Ein schweres Erbe

Für die parteilose, in Herne geborene Cordt bedeutet dies ein schweres Erbe. Sie muss das Tempo beibehalten wenn nicht gar beschleunigen, obwohl nun viele schwierige Fälle zur Entscheidung anstehen, die Zeit in Anspruch nehmen. Sie muss zugleich das Klima verbessern. Und sie muss dafür sorgen, dass dem Amt bei der Prüfung der vielen Tausend rechtsschaffenden Menschen, die in Deutschland ihr Glück suchen wollen, kein verkappter Islamist durch die Lappen geht.

Cordt hat sich nicht beworben, sie wurde von Weise gebeten. Sie gilt als durchsetzungsstark, hat über zwei Jahrzehnte Führungserfahrung in der Bundesagentur für Arbeit, arbeitete 2003 in der Hartz-Kommission des Wirtschaftsministeriums zur Reform des Arbeitsmarktes mit, leitete zuletzt die Regionaldirektion Berlin/Brandenburg. Ihr wird ein scharfer Verstand nachgesagt und eine Leidenschaft für Effizienz. Er wisse deshalb das BAMF bei ihr „in den allerbesten Händen“, sagte de Maizière. Das ist freundlich gemeint, man kann das aber auch als Drohung verstehen. Denn falls was schief geht, wird sich de Maizière sofort daran erinnern, in wessen „Händen“ die Verantwortung liegt.