Abgelehnte Asylbewerber werden abgeholt, um zum Flughafen gebracht zu werden. Foto: dpa-Zentralbild

Die Innenministerien im Bund und in Baden-Württemberg stellen einen hohen Anstieg von Abschiebehindernissen fest. Im Südwesten gelten 8700 Ausreisepflichtige lediglich als geduldet, weil sie keine Personaldokumente haben.

Stuttgart - Immer öfter können die Behörden abgelehnte Asylbewerber nicht in ihre Heimat zurückweisen, weil keine Reisedokumente oder Passersatzpapiere vorliegen. Nach einem internen Bericht des Bundesinnenministeriums betraf dies Ende vorigen Jahres insgesamt 64 914 Migranten – dies ist ein Anstieg von etwa 70 Prozent (26 902) gegenüber Ende 2016.

In Baden-Württemberg wurden Ende Dezember rund 8700 Ausländer wegen fehlender Reisedokumente geduldet – genau ein Jahr zuvor betraf dies lediglich 4600 Menschen. Die Gründe lägen speziell darin, dass Ausländer keine Pässe und sonstigen Identitätspapiere vorlegen oder entgegen der gesetzlichen Verpflichtung an der Beschaffung von Personaldokumenten nicht mitwirken würden, erläuterte ein Sprecher des Ministeriums unserer Zeitung. Hinzu kämen „unkooperative Herkunftsstaaten, die ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nicht oder erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nachgehen“.

Indien und Pakistan ganz vorne dabei

Als führende Herkunftsstaaten in dem Zusammenhang erweisen sich Indien (1275 Geduldete), Pakistan (1260), Gambia (1181), Afghanistan (537), Algerien (530), der Irak (510), Nigeria (459) und China (400). Im Bericht des Bundesinnenministeriums werden Indien, Pakistan, Afghanistan und Russland hervorgehoben. Diverse Länder zeigen sich besonders kooperationsunwillig. So heißt es laut der Funke-Mediengruppe zu Indien: „Streckenweise sehr langsame bis keine Bearbeitung der Passersatzanträge“ – trotz „regelmäßiger Besuche in der Botschaft“. Über den Libanon lautet die Einschätzung: „Antworten auf Anträge äußerst rar. Kontakt zur Botschaft ist schlecht.“ Auch die Kooperation mit der Türkei wird als „bundesweit schlecht bis sehr schlecht“ eingestuft.

Pro Asyl sagt weitere Zuwächse voraus

Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisiert die Meldungen aus dem Innenministerium als „alarmistisch“. Die Zahl der Duldungen aus dem Grund werde noch steigen, sagte er unserer Zeitung, weil Hauptherkunftsländer von 2015 bis 2017 Syrien, Afghanistan und der Irak gewesen seien. Wer komme aus Kriegswirren mit dem Pass nach Deutschland? Die Afghanen etwa benötigen eine Tazkira – ein Dokument, das oft als Ersatz für eine Geburtsurkunde und als Identitätsnachweis gilt. Diese sei aber vom Ausland her schwer zu erhalten, so Burkhardt – „es sei denn, man zahlt Bestechungsgelder“. Bekannt sind jedoch Fälle, wonach die afghanischen Behörden es ermöglichen, dass Asylbewerber mit der Kopie einer Tazkira eines Verwandten an Personalpapiere gelangen.

Burkhardt zufolge lenkt die Debatte von einem akuteren Problem ab: der Abschiebung an den Hindukusch – in ein Land, das sich in einer „katastrophalen Sicherheitslage“ befindet. Die Asylanträge von Afghanen würden auf Grundlage einer veralteten Beurteilung vorgenommen. Für den Montagabend war vom Flughafen Leipzig/Halle aus ein weiterer Sammelcharterflug geplant. Rückgeführt werden Straftäter, Gefährder und Menschen, die nicht an ihrer Identitätsfeststellung mitwirken.

Bundesweit wurden 2017 fast 24 000 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgebracht – 5,6 Prozent weniger als 2016. Aus Baden-Württemberg traf dies 3450 Menschen nach 3638 Abschiebungen im Jahr 2016.