Die Zahl von Flüchtlingen in Unterkünften wie in Kirchheim Teck wächst Foto: Max Kovalenko

Immer mehr Menschen aus den Westbalkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina treiben Verfolgung und schlechte Lebensbedingungen in die Landeshauptstadt. Um sie kümmert sich die „Rückkehrberatung – Zweite Chance Heimat“ vom Stuttgarter Sozialamt.

Immer mehr Menschen aus den Westbalkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina treiben Verfolgung und schlechte Lebensbedingungen in die Landeshauptstadt. Um sie kümmert sich die „Rückkehrberatung – Zweite Chance Heimat“ vom Stuttgarter Sozialamt.

Stuttgart - Der Terminkalender von Uemit Kepenek ist derzeit eigentlich immer voll. Kepenek arbeitet im Sozialamt der Stadt in der Abteilung „Rückkehrberatung – Zweite Chance Heimat“ und hilft Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland bekommen, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Allein an diesem Vormittag sind es sieben gewesen, die Hilfe brauchten. „Häufig kommen die Leute auch ohne Voranmeldung und stehen plötzlich vor der Tür“, sagt der Mitarbeiter, der die Beratung mit zwei Kollegen anbietet. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind oft Sinti und Roma, die in ihren Ländern mit Repressalien zu kämpfen haben.“

Die erste Chance stellt in den Augen vieler Asylbewerber aus den Balkanländern Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina offenbar Deutschland dar. Das belegen aktuelle Zahlen der Stadt Stuttgart: Bis Ende August dieses Jahres zog es meist aufgrund von Armut oder Diskriminierung 368 Menschen aus den drei Balkanstaaten in die baden-württembergische Landeshauptstadt.

Der Vergleich mit den zwei Vorjahren zeigt zwar einen deutlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen. Bis August des Vorjahres kamen 141 Flüchtlinge aus den Ländern nach Stuttgart, im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor sind es sogar lediglich 56 gewesen. Experten heben bei der Entwicklung aber hervor, dass es sich in absoluten Zahlen für eine Großstadt wie Stuttgart immer noch um eine überschaubare Anzahl handelt. So stammen in der Landeshauptstadt nur 201 Menschen aus Serbien, obwohl das Land in diesem Jahr laut Statistischem Bundesamt deutschlandweit hinter Syrien (rund 15 000 Asylbewerber) auf dem zweiten Platz liegt: Mehr als 8000 der Asylsuchenden stammen aus Serbien.

Flüchtlinge aus dem Balkan bleiben meist nur wenige Monate

Der Umgang mit den Flüchtlingen beschäftigt nicht nur das Sozialamt in Stuttgart, sondern wird derzeit auch von der Bundespolitik diskutiert. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Die Große Koalition will damit die Bearbeitung von Asylanträgen beschleunigen. Im Koalitionsvertrag heißt es, die Regierung wolle damit „aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden“. Das Gesetz muss am 19. September noch durch den Bundesrat. Kritik kommt allerdings von den Grünen, deren Fraktion für eine Mehrheit zustimmen müsste. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) wollte sich am Dienstag nicht äußern. Das Thema betreffe die Landespolitik, sagte sein Sprecher.

Asylanträge aus diesen sicheren Herkunftsländern lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Regel ab, weil den Menschen in ihrer Heimat keine politische Verfolgung oder auch Bestrafung drohe.

Um den Umgang mit Flüchtlingen vom Balkan wird heftig gestritten. Der Leiter des Stuttgarter Lenkungsausschusses Flüchtlinge, Stefan Spatz, warnt in der Diskussion um Flüchtlinge vor undifferenzierten Behauptungen, wenn es um den Bezug von staatlichen Geldern geht. „Zur Existenzsicherung und sozialen Teilhabe stehen den Flüchtlingen im Monat rund 360 Euro Asylbewerbergeld zur Verfügung“, sagt Spatz. Im Jahr 2012 hatte das Verfassungsgericht die Hilfen für Asylbewerber in etwa auf das Niveau von Sozialhilfe und Hartz IV erhöht, zuvor hatte der monatliche Betrag bei 225 Euro gelegen.

Arbeit bringt Integration

Für gewöhnlich bekommen die Asylbewerber aus den drei Balkanstaaten eine Duldung, die ihnen erlaubt, drei Monate in der Bundesrepublik zu leben. In vielen Fällen werde diese Frist noch etwas verlängert, sagt Spatz. „99 Prozent dieser Flüchtlinge bekommen jedoch kein Bleiberecht“, sagt der Leiter des Lenkungsausschusses Flüchtlinge. Er beobachte auch keine Systematik, dass abgeschobene Flüchtlinge später erneut einen Folgeantrag in Deutschland stellten. Als eine der größten Aufgaben sieht er an, dass die Flüchtlinge möglichst schnell in Beschäftigungsverhältnisse gebracht werden. „Das gilt vor allem für die alleinstehenden Männer, die 40 Prozent ausmachen. Sie sollten die Möglichkeit haben, nach spätestens drei Monaten zu arbeiten.“

Ähnlich sieht es auch Uemit Kepenek, der Mitarbeiter der „Rückkehrberatung – Zweite Chance Heimat“. Die Rückkehrer bekommen Bustickets, ein Reisegeld von 25 Euro. Er sieht pessimistisch in die Zukunft. „Wenn ich auf die Kriegsgebiete weltweit blicke, kommt noch eine Menge Arbeit auf uns zu.“