Die Vorkommnisse in Köln beschäftigen die Syrer in Fellbach. Foto: dpa

In Fellbach lebende Syrer verurteilen die Übergriffe von Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht. Die Asylsuchenden fordern harte Strafen für die Täter und hoffen, dass sie nicht alle in eine Schublade gesteckt werden.

Schmiden - Im Asylcafé im Maximilian-Kolbe-Haus herrscht am Dienstag normaler Betrieb. Die Helfer vom Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach sind da, viele Syrer aus der Festhalle Schmiden sind gekommen, dazu einige, die in eigenen Wohnungen leben. Die Bäckerei Füeß aus dem Oberdorf hat wie immer Brötchen und Backwaren gespendet. Die Tische sind voll, die Gespräche lebhaft, und auch die Übergriffe von Köln sind Thema.

Syrer machen sich gegen Sexismus stark

Einige Syrer haben sich bewusst an die Zeitung gewandt, weil sie darüber reden wollen. Naif al Najjar, ein junger Informatiker, unterstützt eine Aktion, die deutschlandweit über Facebook angelaufen ist. Unter der Überschrift „Syrer gegen Sexismus“ haben hunderte Teilnehmer zugesagt, vom 16. bis 18. Januar vor dem Kölner Dom mit Plakaten zu zeigen, dass sie die Übergriffe aus der Silvesternacht verurteilen. Naif al Najjar kann nicht vor Ort sein, er muss in den Sprachkurs, aber es ist ihm wichtig, zu sagen, dass er dahinter steht. Deutschland habe sie freundlich aufgenommen, wer Probleme mache, soll nach Syrien zurückgeschickt werden, sagt der 23-Jährige. „Diese Leute dürfen uns nicht die Chance auf ein Leben in Frieden, Sicherheit und Freiheit kaputt machen.“

Das Asylcafé ist gut besucht. Foto: Eva Herschmann
Omar al Zoubi ist gegen Gewalt und sexuelle Übergriffe. „Aber es gibt auch welche, die denken anders, und die müssen vom Gesetz bestraft werden.“ Dass einer der Attentäter von Paris sieben unterschiedlichen Identitäten hatte, findet er bezeichnend. Es müsse mehr kontrolliert werden, sagt der Englischlehrer aus Darra in Syrien. „Und wir brauchen mehr und schnellere Integration für die, die sich hier einbringen wollen. Wir brauchen Sprachkurse, Wohnungen, Jobs, wir müssen uns alle anstrengen, um so schnell wie möglich, Mitglieder dieser Gesellschaft zu werden. “

Suche nach historischen Ursachen

Ahmed, der aus Damaskus kommt und seinen Nachnamen nicht nennen will, ist überzeugt, dass die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Syrer die sexuellen Übergriffe von Köln und anderen Großstädten verurteilen. Der 48-Jährige, der früher im Marketing gearbeitet hat, sucht Erklärungen kam und erzählt aus der Geschichte. In den 70er-Jahren sei die arabische Gesellschaft nicht religiös gewesen, die meisten Frauen hätten damals keine Kopftücher getragen, sagt Ahmed. „Wir standen unter dem Einfluss der Hippiekultur.“ Die 80er seien vom Fall des Schahs im Iran und der kommunistischen Invasion in Afghanistan geprägt gewesen. „Dann hat sich die USA entschieden, zwei Typen von Verbündeten zu erschaffen. Zum einen den weltlichen Saddam Hussein, dessen Mission es war, gegen die islamistische Revolution im Iranvorzugehen, zum anderen die radikalen Islamisten von Al Quaida, die die Kommunisten in Afghanistan bekämpfen sollten.“ Auf diese Weise hätten die USA den radikalen Islam gefördert. Die Geistlichen der Wahabi – und Salafisten – hätten Geld von den Golf-Regierungen, den Emiraten, bekommen, seien immer wohlhabender und einflussreicher geworden. „Und die arabische Gesellschaft wurde religiös“, sagt Ahmed.

Nach dem Bürgerkrieg und Zusammenbruch der Sowjetunion habe die westliche Welt, angeführt von den USA, versucht, ihre Kreaturen wieder zu zerstören. Dafür hätten sie über Satellit pornografische Kanäle verbreitet. Die arabische Gesellschaft sei wie ein Versuchslabor gewesen, die Menschen die Laborratten und oft endeten solche Experimente für die Versuchstiere schlecht. „Die meisten von uns sind hin und her gerissen zwischen Gut und Böse, und es lässt sich schwer vorhersagen, was deformierte Menschen machen. Aber Ihr könnt die Täter streng bestrafen“, sagt Ahmed.

Im Asylcafé herrscht Normalbetrieb

Es ist spät geworden. Das Asylcafé leert sich. Katja Schleicher beginnt mit dem Aufräumen. „Für mich ist meine ehrenamtliche Arbeit eine Bereicherung mit vielen netten Begegnungen“, sagt die Helferin vom Freundeskreis. Sie weiß aber, dass einige Mädchen, die bisher mithalfen, zurzeit nicht kommen. „Sie waren an Silvester in Stuttgart. Jetzt haben sie Bedenken, das ist schade.“ Solche Berührungsängste kennt Sabine Cisch nicht. „Man darf nicht alle über einen Kamm scheren, es gibt auch andere“, sagt sie. Obwohl die Männer aus der Festhalle wenig Geld haben, hätten sie aus Dankbarkeit für alle Frauen vom Freundeskreis Schals gekauft. „Dieses Geschenk hat mir Tränen in die Augen getrieben“, sagt Sabine Cisch.