Anerkannte Flüchtlinge der Filder müssen mit Bus und Bahn nach Esslingen zum Jobcenter fahren. Zumindest die Fahrtkosten sollen ihnen erstattet werden. Foto: Natalie Kanter

Anerkannte Flüchtlinge der Filder müssen zur Beratung zum Jobcenter nach Esslingen reisen. Das sorgt für Unmut.

Filder - Unter ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern aus Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt herrscht Unruhe. Sozialbürgermeister Carl-Gustav Kalbfell beschreibt das Problem als besonders misslich für L.-E., „weil wir sehr weit im Westen des Landkreises liegen“. Anlass der Kritik: Die Einrichtung einer zentralen Integrationsstelle für Arbeit und Ausbildung im Jobcenter Esslingen hat nicht nur positive Folgen. Das gilt insbesondere für Flüchtlinge, die ihre Aufenthaltsgenehmigung erst in jüngster Zeit aus dem Briefkasten geholt haben.

Zur Erklärung: Sobald ein Flüchtling anerkannt ist, muss er sich beim Jobcenter melden. Dort hat er seine kompletten Daten abzugeben, Angaben zu seinem beruflichen Werdegang und seiner Ausbildung zu machen und nicht zuletzt Arbeitslosengeld II zu beantragen.

Ehrenamtliche wie Monika Heilmann vom Helferkreis Arbeit und Integration Lebenswertes LE berichten, dass dafür in der Vergangenheit drei Termine nötig waren. Bisher konnten diese mündlich vereinbart werden. Vor allem aber konnten sich die Flüchtlinge mit Bleiberecht auf ihr Rad setzten und von ihrer Unterkunft in L.-E. oder auch aus Filderstadt zum Jobcenter an der Echterdinger Gutenbergstraße strampeln. Seit Kurzem ist dies nicht mehr möglich. Jetzt müssen sie mit Bus und Bahn nach Esslingen fahren. Die Kosten dafür betragen laut Heilmann pro Person 10,80 Euro hin und zurück. Bei mehreren Terminen und mehreren Familienmitgliedern kann daraus schnell eine höhere Summe werden.

Die Arbeit der Ehrenamtlichen wird erschwert. „Für sie würde es einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten, mit den Flüchtlingen nach Esslingen zu fahren“, schreibt auch Hartmut Reinecker vom AK Asyl Filderstadt in einer Stellungnahme.

„Auch aus dem Dolmetscherpool der Stadt L.-E. findet nach Esslingen keine Unterstützung statt“, ergänzt Heilmann. Sie hat sich auch an Bürgermeister Kalbfell und an die Stadträte in der Großen Kreisstadt mit der Bitte um Unterstützung gewandt.

Der Hintergrund: Zum Konzept der neu geschaffenen Stelle gehört eine frühzeitige und zentrale Beratung sämtlicher anerkannter Flüchtlinge aus dem Kreis Esslingen in der ehemaligen freien Reichstadt. Denn dort arbeitet laut Werner Schreiner, Gesamtchef des Jobcenters Esslingen, ein dafür ausgebildetes Spezialistenteam. „Die Mitarbeiter sprechen mindestens eine Fremdsprache“, sagt er. Sie haben eine interkulturelle Weiterbildung genossen.

Schreiner spricht im Gegensatz zu den Flüchtlingshelfern nicht von drei nötigen Terminen, sondern von drei nötigen Schritten. „Die Mitarbeiter schaffen es fast immer, alle wichtigen Daten und alle drei Prozessschritte an einem Termin abzuarbeiten.“

Schreiner glaubt, dass die Summe der Vorteile einer zentralen Beratung überwiegen, auch wenn die anerkannte Flüchtlinge einen „etwas weiteren Anfahrtsweg“ in Kauf nehmen müssen.

Wenn Unterlagen fehlen, könnten diese schriftlich nachgereicht werden. Ein passender Dolmetscher könne via Telefon zugeschaltet werden. Auch dies sorgt für Kritik unter den Ehrenamtlichen. „Eine Face- to -Face-Situation fällt weg“, sagt Heilmann. Ihre Gruppe fordert, dass die Beratungstermine wieder nach Echterdingen gelegt werden. Wenn dies nicht möglich sei, sei eine Anbindung an das Jobcenter in Stuttgart anzustreben. Denn in die Landeshauptstadt fahren die ehrenamtlichen Helfer wohl immer wieder.

Ähnliches möchte auch der AK Asyl Filderstadt erreichen. Zumindest sollten die Folgeberatungen – nach einem ersten Gespräch in Esslingen – wieder bürgernah in den Echterdinger Räumen stattfinden, fordern die ehrenamtlichen Helfer.

Bürgermeister Kalbfell hat gemeinsam mit Sozialamtsleiter Peter Löwy beim Landkreis dafür geworben, dass zumindest die Fahrtkosten übernommen werden. Und hier scheint sich tatsächlich etwas zu tun. Die Kosten sollen den Flüchtlingen dann erstattet werden, wenn sie zu dem Beratungstermin schriftlich eingeladen wurden. Das ist die Voraussetzung dafür. „Wir brauchen einen schriftlichen Beleg. Das ist der einzige mögliche Weg. Auch wenn der Aufwand dadurch für uns höher ist“, sagt Schreiner.

Hartmut Reinecker vom Arbeitskreis Asyl Filderstadt hat ausgerechnet, dass sich die Fahrtkosten bei mehreren Terminen in Esslingen allein für die Betroffenen aus Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen insgesamt auf einen fünfstelligen Betrag summieren könnten. Diesen Betrag könnte sich das Jobcenter sparen – wenn die Beratung weiterhin in Echterdingen stattfinden und die Mitarbeiter der Integrationsstelle für festgelegte Sprechstunden dorthin kämen.