Nach einem Jahr hat Aston Martin die DTM verlassen. Nach 2020 ist auch Audi nicht mehr dabei. Foto: dpa/Monika Skolimowska

Florian Kamelger setzte in der vergangenen Saison Aston-Martin-Fahrzeuge in der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft (DTM) ein und fühlte sich dabei vom ITR-Chef aus Österreich offenbar nicht immer gut behandelt. Die Zukunft der Serie sieht er kritisch.

Stuttgart - Der Südtiroler Florian Kamelger ist Team-Pricipal von R-Motorsport, die Rennsportmarke der AF Racing Holding Group. Das Schweizer Team engagiert sich vornehmlich im internationalen GT-Sport, wo in verschiedenen Rennserien Aston-Martin-Vantage-Fahrzeuge eingesetzt werden. 2019 gab das Team ein kurzes Gastspiel in der DTM. Dort hat ihm die Kritik an den Leistungen seines Teams alles andere als gefallen.

Herr Kamelger, die Corona-Krise verändert die Welt. Wann ist im Motorsport wieder mit Normalität zu rechnen?

Es ist es momentan nicht absehbar, wann und ob überhaupt Motorsport in welcher Form auch immer in diesem Jahr stattfinden wird. Das betrifft natürlich auch unser Engagement im GT-Sport, vornehmlich mit unserem Aston Martin Vantage GT3. Denn die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter hat in jedem Fall oberste Priorität.

Was bedeutet das für Sie?

Das bedeutet, dass wir erst dann Entscheidungen hinsichtlich von Rennteilnahmen treffen werden, wenn wir absolut sicher sind, dass wir das verantworten können.

Ihr Ausflug in die DTM im vergangenen Jahr war erstaunlich kurz. Nun ist ihr Team R-Motorsport nicht mehr dabei – so wie auch Audi.

Ursprünglich hatten wir vor, erst 2020 in die DTM einzusteigen. Um der Serie zu helfen hatten wir uns entschlossen, bereits 2019 mitzumachen. Wir haben das DTM-Projekt mit enormen Kraftaufwand in nur 90 Tagen rennfertig dargestellt. Im Sinne der Stabilisierung der Serie haben wir dann bereits zum ersten Rennen vier Aston Martin Vantage DTM an den Start und mit Aston Martin eine dritte hoch angesehene Marke in die Serie gebracht.

Wurde das gewürdigt?

Unter diesem Aspekt, unser einjähriges DTM-Engagement der letzten Saison als „Schönheitsfehler“ zu bezeichnen, wie es der ITR-Chef (Gerhard Berger, Anm. der Red.) kürzlich tat, ist sicher kein Ausdruck von Wertschätzung unseres Engagements für die Serie.

Auch vom Affalterbacher HWA-Team haben Sie sich getrennt. Hatte das Auswirkungen auf die Frage, in der DTM zu bleiben oder nicht?

Wir hatten auch nach der Trennung von HWA zunächst nicht die Absicht die DTM zu verlassen. Allerdings führten eine Androhung von Rechtsstreitigkeiten mit unserem ehemaligen Partner HWA und die Unsicherheiten über den Verbleib von Wettbewerbern über 2020 hinaus dazu, dass eine Fortführung unseres Engagements mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden sein würde. Und das stellte für uns letztendlich unternehmerisch ein zu großes Risiko dar.

Nun ist Audi auch weg. Steht die DTM vor dem Ende?

Nun, es ist schade, dass mit Audis Ausstieg im kommenden Jahr der Fortbestand der DTM massiv gefährdet ist. Diese Entscheidung zeigt, wie fragil das auf Hersteller-Werksengagements basierende DTM-System ist. Wenn es schon der Sportabteilung eines so großen Unternehmens wie Audi nicht möglich erscheint, eine DTM-Teilnahme im Konzern und der Öffentlichkeit glaubhaft zu rechtfertigen, so kann man leicht nachvollziehen, dass es für R-Motorsport ohne einen großen Hersteller im Rücken oder einer wirkungsvollen Unterstützung durch die ITR und deren Partner fast unmöglich ist, ein DTM-Programm darzustellen.

Fehlt der DTM eine Idee?

Wichtige Gründe für den fragilen Zustand der DTM sind unserer Meinung nach neben den hohen Kosten vor allem das Fehlen einer realisierbaren Vision für die zukünftige Entwicklung der Serie. Wohin soll die Reise gehen? Wie stellt sich die Serie den Herausforderungen für die Zukunft wie Elektrifizierung und anderer Energieformen wie synthetischem Kraftstoff und Wasserstoff? Wir haben ein Konzept in Form eines Videos gesehen, an der konkreten Umsetzbarkeit hätte man aber stark arbeiten müssen.

Sie haben sich schwer getan, in der DTM konkurrenzfähig zu sein.

Auch wenn unser DTM-Programm solide finanziert war, war das Budget bei weitem nicht mit dem der konkurrierenden Hersteller (Audi und BMW, Anm. d. Red.) vergleichbar, was von vornherein ein Wettbewerbsnachteil ist. Die Finanzierung eines DTM-Projekts ist für jeden Teilnehmer nicht einfach und wird es nach der Coronavirus-Krise erst recht nicht sein. Unser Beispiel, wie ein mittelständisches Rennsport-Unternehmen wie R-Motorsport mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht konkurrenzfähig ist, wird wahrscheinlich Privatteams zukünftig davon abhalten, sich dem harten Hersteller-Wettbewerb in der DTM zu stellen.

Befindet sich der Tourenwagensport in einem Prozess der Wandlung?

Die jüngste Entwicklung der DTM hat gezeigt, dass der reine Werkssport allenfalls in der Formel 1 und in der Formel E eine solide Basis hat. Als Alternative für den Sport mit weitgehend unabhängigen Teams bietet sich unserer Meinung nach nur der Kundensport mit GT-Fahrzeugen an wie er beispielsweise in der GT World Challenge Europe auf internationaler und im ADAC GT Masters auf nationaler Ebene mit Erfolg und großen Teilnehmerfeldern betrieben wird. Deshalb haben wir seit diesem Jahr unser Motorsport-Engagement komplett auf GT-Wettbewerbe ausgerichtet - und werden dies nach Ende der Coronavirus-Pandemie in Zukunft auch noch verstärkt tun.