Erich Brodbeck ist 90 geworden. Der überzeugte Asemwäldler ist der Vater der Prominentenkicker. Bis heute ist er zweimal die Woche im Büro und denkt nicht ans Aufhören.
Asemwald - Das Treppensteigen geht gerade nicht so gut“, sagt Erich Brodbeck. Er stöhnt kaum hörbar, als er die letzte Stufe nimmt. „Ausgerutscht, als es im Februar glatt war.“ Seitdem zwickt die Hüfte etwas. Doch wer ihn auf dem Weg zu seinem Büro im Dekra-Haus in Möhringen sieht, hat nicht den Eindruck, neben einem 90-Jährigen herzulaufen. Denn Brodbeck, jahrzehntelang einer der großen Stuttgarter Sportjournalisten, Initiator und Präsident der Stuttgarter Prominentenkicker, Gründer des Stuttgarter Weindorfs und Organisator unzähliger Wohltätigkeitsveranstaltungen, läuft aufrecht, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. Sein Händedruck ist fest und – wie immer an seinen Bürotagen – trägt Brodbeck Anzug mit Krawatte. Zweimal in der Woche kommt er immer noch ins Dekra-Haus. Früher hat er hier den Dekra Spätschoppen vorbereitet, eine Talkshow, für die Brodbeck mehr als 300 Mal Prominente aus Stuttgart und der Region interviewte. Heute organisiert er hier den Verein Stuttgarter Prominentenkicker, deren Initiator und Präsident er immer noch ist. „Es ist schwierig, einen Nachfolger zu finden.“ Am Freitag ist Erich Brodbeck 90 Jahre alt geworden. Mittags die Feier mit der Familie im Höhenrestaurant im Asemwald, wo er auch wohnt. Abends Festakt im Stuttgarter Rathaus. Bürgermeister Michael Föll überreichte ihm die Staufermedaille des Landes in Gold. Brodbeck lacht. „90 Jahre. Ich habe nie gedacht, dass ich so alt werden würde.“
Einziger Redakteur der neuen Sportzeitschrift
Zum einen, weil er als junger Mann nie Zeit für solche Gedanken hatte. 1945, Brodbeck war gerade aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in sein Elternhaus in Untertürkheim zurückgekehrt, meldete sich Fritz Winners, der Verleger des Union-Verlages. „Traust du dir zu, als Redakteur für die ,Sportwelt´ zu arbeiten? Schaust es dir halt mal an, dann lernst du das schon.“ Brodbeck, der zu diesem Zeitpunkt noch keine journalistische Erfahrung hatte, weil er von der Schulbank weg zur Wehrmacht eingezogen worden war, sagte zu. Schnell stellte sich heraus: Nicht nur schreiben und redigieren, vor allem gut organisieren musste er als einziger Redakteur der neuen Sportzeitschrift. Wie kamen die Texte aus der Redaktion in Stuttgart in die Druckerei in Ludwigsburg? „Wir haben von irgendwoher ein altes Auto organisiert.“ Wie kamen die Kosten für den Druck rein? „Zusätzlich zum Kaufpreis von 50 Pfennig zahlte jeder noch ein Brikett dazu – das Blei für den Satz musste ja heiß gemacht werden.“ Wie kamen die Berichte aus den Stadien in Kaiserslautern, München und anderen süddeutschen Städten nach Stuttgart? „Wir haben Lokführer angesprochen, dass sie die Texte von den Journalisten vor Ort mit der Bahn mitnahmen“, erinnert sich Brodbeck. Abends stand ein Bote im Stuttgarter Hauptbahnhof, um die Berichte einzusammeln. Den später legendären, damals aber noch genauso unerfahrenen Sportjournalisten Hans Blickensdörfer hatte Brodbeck eines Tages am Telefon. „Was ihr über Arsenal London schreibt, ist großer Scheiß“, schimpfte Blickensdörfer ins Telefon. Brodbeck muss heute noch lachen, wenn er daran denkt. „Ich hatte den Eindruck, dass er wirklich Ahnung von dem Thema hatte. Genug Englisch, um die Übertragung der BBC abzuhören, konnte er auch.“
Mit 40 Jahren einen Herzinfarkt erlitten
Auch aus einem anderen Grund hatte Brodbeck nie geglaubt, so alt zu werden. Mit 40 Jahren, als er bereits ein bekannter Sportjournalist mit eigener Samstagssportsendung im Süddeutschen Rundfunk war, erlitt er kurz nach einem VfB-Spiel einen Herzinfarkt. „Bis zum Ende der ersten Halbzeit war ich wie immer im Neckarstadion.“ Danach musste er, auch wie immer, schnell ins Funkhaus, um seine Radio-Sendung zu moderieren. Doch an diesem Samstag kam es nicht dazu, ein Kollege fand den Sportmoderator zusammengesunken auf seinem Stuhl. „Dabei hatte ich an dem Tag nicht besonders viel Stress“, kommentiert Brodbeck. Er hatte eben einfach immer viel Stress. Bereits seit Jahren lebte er als Hans Dampf in allen Stuttgarter Gassen: Zeitung, Radio, Pressearbeit für diverse Verbände, und bis kurz zuvor war er starker Raucher gewesen – für ein halbes Jahr fiel Erich Brodbeck aus, und musste sich überlegen, wie er sein Leben umstellen könnte.
Weniger tun, um Stress zu vermeiden – das ging nicht. Aber an einen Ort mit besserer Luft umziehen, das ging. „Der Asemwald ist in Stuttgart der Ort mit der besten Luft“, wie man ihm in der Stadtverwaltung versicherte. Praktischerweise entstand dort just zu dieser Zeit die große Wohnanlage. Brodbeck zog von einem auf den anderen Tag ein. Dass er nun nicht mehr in Feuerbach in einem Haus mit dem Rundfunk-Fritzle Erich Hermann und dessen Frau wohnte, wurmte den Sportmoderator gewaltig. Aber Brodbeck wäre nicht Brodbeck, wenn er nicht auch im Asemwald schnell damit begonnen hätte, Kontakte zu knüpfen. Schließlich war er dort nicht der einzige Journalist und Sportfan. „Ich habe es nie bedauert, dorthin gezogen zu sein.“