Die Aschewolke über Island Foto: AP

Die Asche von Eyjafjallajökull hat wieder den Flugverkehr behindert - diesmal über Irland.

Hvolsvöllur - Die Asche aus dem Vulkan Eyjafjallajökull hat gestern wieder den Flugverkehr behindert - diesmal über Irland. Doch die Isländer lässt der heiße Staub kalt. "Wir sind doch damit groß geworden", sagt Hotelbesitzer Johannes.

Katrin Juliusdottir schleudert ihr strahlendstes Lächeln in die Runde. Der Ausbruch des Eyjafjallajökull-Vulkans eine Katastrophe? Etwas, vor dem man Angst haben muss? Ein Ascheregen, der die Welt in Atem hält? Dessen dunkle Wolken auch gestern wieder dafür gesorgt haben, dass es wieder zu einem Flugchaos über Europa kommen könnte, weil vorübergehend die Lufträume über Irland und Teilen Großbritanniens gesperrt wurden? Islands Tourismus-Ministerin lächelt kritische Fragen mit der Gelassenheit einer sturm- und lavaerprobten Wikinger-Erbin weg: "Das ist doch ein sehr süßer, schöner Ausbruch." Kein Grund zur Panik. Schließlich sei man gut vorbereitet und mit Informationen aus der Satellitenbeobachtung und lokalen Messstationen schnell und zuverlässig versorgt worden. "Wir sind eben ein Land, das sich erneuert", sagt die 35-Jährige lächelnd. "Das ist doch eine tolle Touristen-Attraktion", behauptet die Ministerin kokett. Nicht nur in Reykjavâk geht alles seinen gewohnten Gang.

Gunnar Thorarensen zieht mit seiner Cessna 207 eine enge Schleife über dem 1666 Meter hohen Eyjafjallajökull (deutsch: Inselberggletscher), unter dessen 200 Meter dickem Eis es seit Mitte März brodelt, kocht und kracht. In der Kanzel der Eagle-Air-Propellermaschine sieht man Ascheeruptionen, die sich wie schwarzer Blumenkohl durch die weiße Wolkendecke kräuseln. Noch in 2000 Meter Höhe sieht, hört man, wie der Vulkan aus dem 150 Meter hohen, im Durchmesser 200 Meter großen Krater Gesteinsbrocken in den Himmel spuckt.

In 20 Minuten waren Gehöfte geräumt

Ein süßer Ausbruch? Vielleicht hat Katrin Juliusdottir ja doch recht: Von hier oben bietet sich ein gewaltiges, prächtiges Naturspektakel. In der Ebene zieht ein Labyrinth kleiner Wasserläufe zur Südküste. Dass die Aschesäule Mitte Märzbedrohlich über 11.000 Meter hoch kletterte, Europas paralysierte Fluglinien Kosten in Millionenhöhe bescherte und zigtausend gestrandete Passagiere zur Verzweiflung trieb - gut zwei Wochen später sieht die Welt vom Cessna-Cockpit aus gesehen spannend, aber friedlich aus. So, als ob der Eyjafjallajökull gar nicht so böse ist, sondern nur spielen will. Ruhig, aber spektakulär.

Birkir Holm Gudnason ist stolz. Der Chef von Icelandair sieht übernächtigt aus. Die vergangenen Wochen waren nicht leicht. Aber seine Bilanz lässt sich sehen. "Europa war geschlossen, aber Island war geöffnet", sagt der 36-Jährige, und selbst dann, als auch der Flughafen Keflavik, rund 50 Kilometer vor den Toren Reykjavâks auf jahrtausendealte Lava gebaut, ein paar Tage wegen der Aschewolke geschlossen werden musste, blieben die Icelandair-Flugzeuge nicht am Boden. Die Zentrale wanderte kurzfristig nach Glasgow aus, die Flüge wurden in den Norden der Insel nach Akureyri umgeleitet - und von dort ging's weiter. Sechs Stunden mit dem Bus nach Reykjavâk oder mit Anschlussflügen in die weite Welt. "Hier musste niemand lange warten", sagt Gudnason - müde, aber zufrieden.

"So ist das hier eben"

Wie Iris Marelsdottir von der Zivilschutzbehörde. Unaufgeregt berichtet sie von minutengenauen Evakuierungsplänen, regelmäßigen Übungen. Sechs Stunden vorher habe man vom Ausbruch gewusst, weil eine Vielzahl kleinerer Erdbeben registriert worden seien. So seien genug freiwillige Helfer zur Stelle gewesen. In 20 Minuten hatten die 800 bis 1000 Bewohner im Umkreis von 40 Kilometern ihre Gehöfte geräumt. Reibungslos. Der Ringstraßendamm im Süden sei an zwei, drei Stellen mit Baggern durchbrochen worden, damit das Geröll und die Wassermassen des Gletscherlaufs nicht die neue Brücke gefährdeten.

"Wir haben hier rund 30 Vulkane und alle vier bis fünf Jahre einen Ausbruch", sagt sie kühl. Und ohnehin: Der Ausbruch habe nur ein bis zwei Prozent der Inselfläche in Mitleidenschaft gezogen. "Das ist ein sehr begrenztes Phänomen." Alles im Griff. Wo also ist das Problem? Das fragt auch Sidprudur Gunnersdottir. Die Hotelbesitzerin in Moldnupi musste mit ihren Gästen selbst mitten in der Nacht raus, zum Nachbarn. "Morgens um sieben waren wir wieder zurück und haben die Tiere gefüttert." Untergepflügt sei die Asche ein guter Dünger. Sie steht auf ihrem Traktor und spritzt Asche von Dach und Wänden. Alles easy.

Vor einem asphaltschwarzen Felsmassiv liegt der Hof von Porvaldseyri. Donnergrollen liegt in der Luft. Weit hinten steigt eine neue Aschesäule hoch. Unter dem ersten zarten Grün der Wiesen liegt eine schmierige schwarze Schicht. Wohin mit den Kühen? Noch im April wollte der Bauer entnervt aufgeben, zumindest ein Jahr aussetzen. So ging es weltweit durch die Presse. Doch der Mann mache weiter, sagt Sidprudur Gunnarsdottir. Isländer lassen sich von so einem Vulkan nicht kleinkriegen.

"So ist das hier eben"

Thorir Kjartansson nickt. 18 Leute beschäftigt seine Strickerei in Vik, 190 Kilometer östlich von Reykjavâk. In dem 500-Seelen-Ort haben sie den Schulkindern gezeigt, wie man sich vor der Asche schützt. Die Kirche auf dem Hügel ist im Ernstfall Sammelstelle. Sie wissen, dass der Katla unterm nahen Myrdalsjökull bei einer Eruption Schmelzwassermassen in die Bucht drücken und den Ort überschwemmen könnte. Doch der Katla ist still. "Wir sehen keine Deformation", sagt der deutsche Geophysiker Martin Hensch. Für Spekulationen, der Katla bräche stets kurz nach dem Eyjafjallajökull aus, gebe es "keinen Zusammenhang, von dem wir wissen". Natürlich hatte Kjartansson zuletzt weniger Kunden als sonst. Die einzige Zubringerstraße tagelang gesperrt, Flugverbindungen unterbrochen, das merkt man: "Aberich hoffe, dass sich der Ausbruch, touristisch gesehen, in diesem Jahr noch bezahlt macht."

Sverrir Magnusson lächelt süßsauer. Der Leiter des Heimatmuseums in Skogar zählte im April 1000 statt sonst 2000 Besucher. Schaden: rund 15.000 Euro. Die feine Asche hat sich trotz abgeklebter Fensterrahmen in die Räume gedrückt; ein dünner schwarzer Film liegt auf vielen Ausstellungsstücken. Saubermachen auch hier. Das wird dauern. Aber auch in Skogar jammern sie nicht.

"So ist das hier eben", dröhnt Johannes. Das Frühstücksbüfett in seinem Farmhotel Höfdabrekka hat er mit einem Stück "neuer Lava" dekoriert. Sorgen? "Nei", antwortet der frühere Schafzüchter, "wir sind damit aufgewachsen." Isländer und Angst? Nei! Katrin Juliusdottir, die Tourismus-Ministerin, hätte es nicht schöner sagen können.

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