Warum brüllt mein Kind, anstatt zu schlafen? Nicola Schmidt verrät demnächst in Waiblingen, worauf Eltern achten sollten. Foto: dpa

Kinder sind wie Jumbojets, sagt Nicola Schmidt: sie brauchen eine Phase des Sinkflugs, bis sie landen – und schlafen können. Demnächst gibt die Autorin in Waiblingen Tipps zur „artgerechten Erziehung“.

Waiblingen - Was brauchen Kinder, um gut aufzuwachsen? „Zeit statt Zeugs“, sagt Nicola Schmidt. Gemeinsame Zeit mit den Eltern. „Zeitdruck ist der absolute Beziehungskiller zwischen Kindern und Eltern“ – davon ist die zweifache Mutter und Autorin mehrerer Erziehungsratgeber überzeugt. Am 22. März spricht Nicola Schmidt in Waiblingen auf Einladung der Familienbildungsstätte (FBS) darüber, wie Eltern ihre Kinder „artgerecht“ erziehen können, auf dass sie zu gesunden und starken Menschen werden.

Und was brauchen Eltern für die Erziehung? „Sie brauchen Unterstützung, einen Kreis von Menschen mit Erfahrung, der ihnen hilft, die Kinder mit großzuziehen“, erklärt Nicola Schmidt – getreu dem afrikanischen Sprichwort: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zu ziehen“. Denn anders als Tiere habe der Homo Sapiens „keinen Mutterinstinkt“: „Wir brauchen jemanden, der uns beibringt, wie man Kinder großzieht.“

Es fehlen vertraute Menschen

Das Problem dabei: „Die wenigsten haben heute noch so vertraute Menschen, mit denen sie solche Dinge besprechen können.“ Die ersten Ansprechpartner wären da die Eltern oder eine weise Großmutter, doch in Deutschland habe man eine Sondersituation, erklärt NiIcola Schmidt: „Wir haben drei traumatisierte Generationen durch zwei Weltkriege.“ Da sei viel verschütt gegangen.

Was tun? Nicola Schmidt, die früher als Wissenschaftsjournalistin zu Themen wie Serverfarmen, Firewalls und Verschlüsselungssoftware recherchiert hat, beschäftigt sich seit der Geburt ihres Sohns vor gut zehn Jahren intensiv mit der Frage, was Kinder brauchen, um artgerecht aufzuwachsen. Fachliteratur zur Evolutionsbiologie, ethnologische und anthropologische Werke, verhaltenstherapeutische Studien und Untersuchungen zur Funktion des Gehirns – „ich lese sehr viel“, sagt Schmidt. Erkenntnisse, die wissenschaftlich belegt sind und Eltern helfen können, verarbeitet die Autorin in ihren Ratgebern. Über Fachliteratur zum Thema Erziehung sagt sie: „Ich finde Ratgeber an sich nicht schlecht, wenn sie einem Perspektiven aufzeigen, auf die man selbst nicht kommen würde.“ Ein Problem habe sie aber mit Ratgebern, die Eltern anweisen, was sie zu tun haben und ideologisch sind.

Ein Kind ist kein Hubschrauber

Was Nicola Schmidt in ihren Büchern anspricht und schildert, leuchtet ein. Zum Beispiel, dass kein Kind schnell einschläft, wenn bis kurz vor dem Zubettgehen geballte Action angesagt ist. Um 19 Uhr noch schnell mit dem Nachwuchs durch den Supermarkt hetzen? Besser nicht, sagt Nicola Schmidt: „Viele Eltern denken, man kann ein Kind landen wie einen Hubschrauber.“ Tatsächlich aber „brauchen Kinder wie ein Jumbojet eine Phase des Sinkflugs bevor sie landen“. Studien hätten gezeigt, dass rhythmisierte Tage, die weitgehend gleich ablaufen, zu einem besseren Schlaf bei Kindern führten, sagt Nicola Schmidt, die mit ihrer Familie in einem Dorf bei Bonn lebt. So wie es draußen in der Natur quasi automatisch laufe – mit einer Mittagspause und einem langsamen Übergang in den Ruhemodus, wenn gegen Abend die Dämmerung einsetzt.

Tief drin ist der Mensch eben immer noch ein Jäger und Sammler – und auch die Biologie seines Nachwuchses hat sich seit der Steinzeit kaum verändert. Damals wie heute sei das Nervensystem des Kindes bei der Geburt nur teilweise entwickelt und bilde sich erst nach und nach aus: „Der Vagus-Nerv zum Beispiel muss erst reifen.“ Das Kind muss erst lernen, was der Erwachsene kann: das System herunterfahren, abschalten, obwohl sein kleines Gehirn vor allem eines will: lernen.

Wildniscamps machen Familien froh

„Das beste wäre es, wenn man mit Kindern im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren in den Wald gehen würde“, sagt Nicola Schmidt und lacht. Bei den Wildniscamps, die sie eben dort mehrmals im Jahr für Familien anbietet, gibt es kein Spielzeug und keine Handys, kein fließend Wasser und keinen Strom. Dafür jede Menge Zeit und eine Gemeinschaft, die sich austauscht und unterstützt. Der Effekt sei stets der gleiche, erzählt Nicola Schmidt: „Die Leute sind total happy.“

Expertin kommt nach Waiblingen

Werdegang
: Bis zur Geburt ihres ersten Kindes war die IT-Sicherheits-Expertin Nicola Schmidt, Jahrgang 1977, als Wissenschaftsjournalistin für Fachzeitschriften tätig. Inzwischen ist sie zweifache Mutter und hat 2010 das „artgerecht“-Projekt gegründet, das sich mit der Frage beschäftigt, was Kinder brauchen, um „artgerecht“ aufzuwachsen.

Tätigkeit:
Nicola Schmidt hat bereits mehrere Familienratgeber veröffentlicht – beispielsweise zur naturnahen Erziehung oder zum Thema Geschwister. Sie bietet Aus- und Fortbildungen für Fachleute und Wildnis-Camps für Familien an.

Vortrag:
„Artgerecht aufwachsen - wie Kleinkinder richtig begleitet werden“ ist das Thema eines Vortrags, den Nicola Schmidt am Freitag, 22. März, im Schlosskeller Waiblingen, Kurze Straße 33, hält. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr, Karten gibt es für zwölf Euro an der Abendkasse oder vorab bei der Familienbildungsstätte Waiblingen.