Der Grasfrosch findet immer seltener ideale Bedingungen zum Wandern und Laichen vor. Die Gründe dafür sind vielfältig. Foto: imago stock&people

2021 sind laut Experten so wenige Amphibien auf ihren Wanderrouten in Baden-Württemberg gezählt worden wie noch nie. Stellenweise minus 90 Prozent. Wie es in diesem Jahr auf den Fildern aussieht.

Im Frühjahr wandern sie wieder, die Kröten, Frösche und Molche. Oder sollten es zumindest. Die Zahlen, die der Verein Amphibien- und Reptilien-Biotop-Schutz Baden-Württemberg im Jahr 2021 veröffentlicht hat, sind alarmierend: An den circa 900 Stellen im Land waren so wenige Amphibien an Fangzäunen und Straßenröhren beobachtet worden wie noch nie. Der Rückgang habe im Landesschnitt bei 50 Prozent, an einigen Stellen bei bis zu 90 Prozent gelegen, hieß es seitens der Experten.

Konkrete Zahlen für dieses Jahr gibt es nicht, „es gibt kein Monitoring, wir können nur unsere Eindrücke schildern“, sagt Jürgen Deuschle, der Regionalbetreuer für den Kreis Esslingen beim Verein Amphibien/Reptilien-Biotop-Schutz Baden-Württemberg. Die Wanderung der Amphibien zu ihren Laichgewässern dauert je nach Art noch einige Wochen an. Zu befürchten ist aber, dass auch in diesem Jahr weniger Kröten und Co. unterwegs sind. „Bis jetzt habe ich noch keinen Laichballen des Grasfroschs gesehen“, sagte Martin Rahlenbeck vom Nabu Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen Mitte März. Er ist vor allem in Leinfelden-Echterdingen den Amphibien auf der Spur und macht sich Sorgen: „Irgendwann muss das Laichen wieder stattfinden, sonst sind die Grasfrösche weg.“ Auch im Vorjahr habe man kaum Laich des Grasfroschs nachgewiesen.

Der März war zu trocken für die Amphibien

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen liegt es am Wetter, „es war im März, der Hauptwanderzeit vieler Amphibien, sehr ungünstig für die Tiere“, sagt Martin Rahlenbeck. Kaum Niederschlag, die Tage sehr warm und viel zu trocken, die Nächte hingegen teils eisig, „Amphibien brauchen es aber feucht und nicht allzu kalt, wenn sie wandern“. Jürgen Deuschle ergänzt: „Gerade der Grasfrosch braucht es warm.“ Er lege seine Laichballen knapp unter die Wasseroberfläche, „wenn dann noch einmal Frost kommt, erfriert der Laich“, sagt Deuschle. Erdkröten hingegen seien robuster, und sie wanderten etwas später als der Grasfrosch, sagt Rahlenbeck.

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Verlässliche Daten, welche Auswirkungen der Klimawandel und der Insektenschwund haben, gebe es noch keine. Einfluss auf die Amphibienpopulation hätten auch intensive Landwirtschaft und der Verlust von Lebensräumen. Tümpel und kleine Gewässer mit flachem Einstieg seien ideal für Amphibien, sagt Rahlenbeck – davon gibt es nicht so viele auf den Fildern. Andere Gewässer verlandeten durch Laubeintrag und geringen Wasserstand, ergänzt Deuschle. „Wenn die Gewässer austrocknen, sind sie für viele Amphibien nicht mehr nutzbar.“

Auch ausgesetzte Fische und die Mahd gefährden die Bestände

Ein anderes Problem sind Fische, die arglos in Teichen und Tümpeln ausgesetzt werden. „In kleinen Gewässern kommen eigentlich keine Fische vor“, sagt Deuschle. Deswegen finden Amphibien dort ideale Bedingungen, um ihren Laich abzulegen. Sind Fische im Wasser, fressen diese mitunter den Laich und dezimieren so die Amphibienbestände. Auch die intensive Mahd der Wiesen gefährdet laut Deuschle den Grasfrosch. „Es wird früher im Jahr und mehr gemäht“, sagt er. Für den Frosch trägt das zum Verlust seines idealen Lebensraums bei. „Auch bei den Erdkröten stellen wir fest, dass das Wanderaufkommen geringer geworden ist“, so Deuschle.

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Mit wenig Aufwand viel für die Amphibien tun

Es tut sich allerdings auch etwas: Auf Gemarkung von Leinfelden-Echterdingen seien zuletzt viele Teiche durch die Stadt und den Nabu angelegt worden. „Die Tiere müssen die jetzt nur noch annehmen“, sagt Rahlenbeck. Deuschle sieht ebenfalls die Kommunen in der Pflicht: „Laichgewässer, die in schlechtem Zustand sind, können Gemeinden mit relativ wenig Aufwand wieder tauglich machen“, sagt Jürgen Deuschle. Das Entschlammen und Zurückschneiden von Gehölzen am Ufer würde viel dazu beitragen, den Amphibien zu helfen, „gerade dem Grasfrosch und der Erdkröte“.

Martin Rahlenbeck ruft außerdem dazu auf, Schutzgebiete zu beachten und die Tiere nicht zu stören. Das gelte für Spaziergänger im Wald ebenso wie für Rad- und Autofahrer. Letztere sind nicht nur dann tödlich für Kröten und Co., wenn sie sie überfahren. Es reiche auch die Druckwelle eines schnell vorbeifahrenden Autos, um die Amphibien zu töten, sagt der Mann vom Nabu.

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Eine bekannte Wanderroute auf den Fildern ist die Alte Poststraße in Echterdingen. Eine Schranke soll hier Schleichverkehr verhindern und Kröten und Frösche vor dem Tod auf der Straße bewahren. Anfang März habe er an einem Abend auf einem Abschnitt von etwa 300 Metern circa 50 Tiere wandern sehen. Ein Grund, warum er die Sperrung der Straße gutheißt. „Das geht in die richtige Richtung“, sagt Rahlenbeck. Das bestätigt Jürgen Deuschle. Sperrungen solcher Nebenstrecken in den Abend- und Nachtstunden seien zumutbar für Autofahrer. „Und solche Maßnahmen helfen den Amphibien wirklich.“