Ein Mitglied des bayerischen Bauernverbandes, der Inhalte des Volksbegehrens «Rettet die Bienen» kritisiert und eine Lösungen im Sinne der Bienen und der Bauern einfordert, steht mit einem Schild mit der Aufschrift „Bayern braucht Bienen und Bauern“ vor einem Traktor. Foto: dpa

Fünf Monate nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ erhält der Freistaat ein umfangreiches Doppelgesetz zum Arten- und Naturschutz. Der Flächenfraß bleibt zunächst außen vor.

München - Als „Startschuss für einen neuen Gesellschafts- und Generationenvertrag“ bezeichnet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Doppelgesetz zum Arten- und Naturschutz, das der Landtag in München an diesem Mittwoch mit einer lagerübergreifenden Mehrheit von mehr als drei Vierteln seiner Abgeordneten beschlossen hat. Das Paket besteht aus dem Text des erfolgreichen Volksbegehrens „Rettet die Bienen!“, das zu Jahresanfang von 1,74 Millionen Bürgern (18,3 Prozent der Wählerstimmen) unterzeichnet worden ist, sowie aus einem „Versöhnungs“-Gesetz mit darüber noch hinausgehenden Maßnahmen, die Söder persönlich angestoßen hat: „Wenn wir was machen, dann g‘scheit.“

Verzicht auf Gewinne von 20 Millionen Euro

Bayern solle beim modernen Naturschutz „Modell- und Trendsetter in Deutschland, Vorbild und Maßstab für andere“ sein, sagt Söder. Er kündigte außerdem an – auch hier die Forderungen des Volksbegehrens überschreitend – die Bayerischen Staatsforsten sollten „von einem Wirtschafts- zum Klimawald und zum CO2-Speicher“ werden. Für die verstärkte Aufforstung und den nötigen Umbau der 760 000 Hektar Wald, mehr als ein Zehntel der Landesfläche, werde der Fiskus auch auf die jährlichen Gewinne der Staatsforsten von zuletzt gut 20 Millionen Euro verzichten, sagte Söder.

Die Haupt-Initiatorin des Volksbegehrens, Agnes Becker von der nicht im Parlament vertretenen Ökologisch-Demokratischen Partei, sagte dieser Zeitung, das alles seien „Ergebnisse, die wir uns vor eineinhalb Jahren nicht hätten träumen lassen.“ Bayern, „mit viel Nachholbedarf“, mache jetzt „einen ganz, ganz großen Schritt nach vorne.“ Die Grünen im Parlament sehen die Erwartungen eher gedämpft. Fraktionschef Ludwig Hartmann erklärt, zwar sei die Gesetzwerdung des Volksbegehrens „ein großer Erfolg für hunderttausende von Menschen in Bayern, die für den Schutz unserer bedrohten Arten gekämpft haben“; Söders Begleitmaßnahmen fielen allerdings „viel zu klein“ aus und seien durch die Regierungskoalition im Landtag so zusammengestutzt worden, dass „der Schwung für noch mehr Artenschutz in Bayern schon wieder verpufft“ sei.

Landwirte zufrieden

Für die Landwirtschaft auf der anderen Seite der recht kontroversen Interessenlage in Bayern erklärt ein Sprecher des Bayerischen Bauernverbandes, immerhin seien „befürchtete Härten für einzelne Landwirte“ abgemildert worden; da habe man „viel erreicht.“ Man befinde sich aber noch „im Reparaturbetrieb“ und müsse in einigen Jahren „nochmal genauer schauen, wie die Sachen wirken.“

Mit einem Finanzaufwand von 75 Millionen Euro, von dem das meiste als Entschädigungszahlungen an Landwirte geht, werden nun 76 Maßnahmen festgeschrieben. Darunter: die Ausweitung des ökologischen Landbaus von derzeit 10 auf 30 Prozent der Fläche bis zum Jahr 2030; die Schaffung eines Biotopverbunds, der bis zum Jahr 2027 insgesamt 15 Prozent des „Offenlandes“ umfasst; der Schutz von Feuchtgebieten und die Ausweitung von Mooren auf das Dreifache der heutigen Fläche; der Ausschluss von Gewässerrandstreifen aus der landwirtschaftlichen Nutzung (auf fünf Meter Breite für private Landwirte, zehn Meter Breite auf staatlichem Grund); auf staatlichem Grund die Halbierung chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2028 und das Totalverbot für Glyphosat.

Einschränkungen für Beleuchtungen

Hinzu kommen Mäh-Regelungen zum Schutz von wiesenbrütenden Vögeln sowie das Verbot von nächtlicher Lichtwerbung im Freien, dazu weitere Einschränkungen für die Beleuchtung öffentlicher und privater Gebäude als Mittel gegen die stark insektengefährdende „Lichtverschmutzung“. Gesetzeskraft erlangt in Bayern auch erstmals das Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen.

Geradezu revolutionär für bayerische Verhältnisse ist, was im Antrag der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern steht: „Gefordert ist ein ökologisches Umdenken der Straßenbaubehörden.“ Straßen seien „nicht mehr nur unter dem Aspekt der Optimierung des Verkehrsflusses“ zu entwerfen; es müsse auch der Natur- und Flächenschutz berücksichtigt werden. Außerdem sollten Straßenrandstreifen durch Verzicht auf allzu viel Mähen „in einen artenreichen Lebensraum verwandelt“ werden.

Andererseits hat es die Regierungskoalition durchgesetzt, dass es in Bayern bis auf weiteres keine Begrenzung des „Flächenfraßes“ gibt. Die Grünen verlangen – und drohen schon mit dem nächsten Volksbegehren – eine Reduzierung des „aus dem Ruder gelaufenen“ Flächenverbrauchs von derzeit etwa 12 auf fünf Hektar pro Tag. So steht es zwar auch als Richtgröße im Koalitionsvertrag; wegen starker Widerstände aus den Gemeinden – „Eingriffe in die Hoheitsrechte!“ – war es für eine gesetzliche Festlegung aber offenbar noch zu früh.

Streit um Streuobstwiesen

Den heftigsten Streit aber gab und gibt es um die Streuobstwiesen, die laut Volksbegehrens-Gesetz ab einer Größe von 2500 Quadratmetern automatisch als Biotope zu schützen sind. Dagegen wehrten sich die Bauern, die meinten, sie dürften solche Flächen gleich gar nicht mehr nutzen oder nicht mehr lukrativ als Baugrund verkaufen. Durchgesetzt haben CSU und Freie Wähler nun eine verbindliche „Schlichtungsregelung“ bei der Einstufung von Biotopen – mit der aber keiner glücklich ist. Selbst Vertreter des Umweltministeriums warnen, massenhafte Schlichtungen seien personell nicht zu stemmen; der bürokratische Aufwand führe tendenziell dazu, dass gar keine Streuobstwiesen zu Biotopen würden.