Einfach zugreifen? Wer auf einer Streuobstwiese, die ihm nicht gehört, Obst pflückt oder aufklaubt, tut etwas Verbotenes. Foto: dpa/Arno Burgi

In Stuttgart gibt es keine Bänder, welche Bäume markieren, die von jedermann abgeerntet werden können. Das hat Gründe.

Die Stuttgarter Streuobstwiesen sind beliebte Ausflugsziele, vor allem jetzt, wenn Äpfel, Birnen und Zwetschgen reif sind. Der eine oder andere greift da gern mal zu – doch das ist verboten. Streuobstwiesen haben in aller Regel einen Besitzer, auf ihnen werden Lebensmittel produziert – und das bezieht sich nicht nur auf die Früchte an den Bäumen, sondern auch auf das Gras, das als Viehfutter dient. Darum dürfen die Flächen von Frühjahr bis Herbst nicht betreten werden, auch Hunde haben dort nichts zu suchen. Dass die Realität eine andere ist, das wissen die verschiedenen Akteure auf den Streuobstwiesen am Rohrer Weg in Möhringen nur zu gut. Vor Kurzem kamen sie dort mit Vertretern der Stuttgarter Verwaltung zusammen, um die Fortschreibung des städtischen Artenschutzkonzepts vorzustellen. Dabei spielen die Streuobstwiesen eine wichtige Rolle, denn sie sind Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.

Feldschutz soll Betretungsverbot durchsetzen

Am Rohrer Weg geht die Pflege Hand in Hand: Der Reyerhof, ein kleiner Demeter-Hof im Möhringer Ortskern, lässt auf den Flächen sein Jungvieh weiden oder mäht die Wiesen, um Futter für die Milchkühe im Stall zu haben. Der Mist der Rinder dient als Dünger für die Bäume. Die Familie Hörlein pflegt die Bäume und erntet im Herbst das Obst für die kleine Familienbrennerei. Die Schutzgemeinschaft Rohrer Weg – einst gegründet, um eine Bebauung des Gebiets zu verhindern – kümmert sich um eigene und gepachtete Flächen und will vor allem Aufklärungsarbeit leisten.

Am eindringlichsten appellierte jedoch Wolfgang Feldner, der sowohl beruflich als auch privat als Naturschützer auf Stuttgarter Streuobstwiesen unterwegs ist, bei dem Termin am Rohrer Weg an die Stadtverwaltung. Er mahnte, die finanzielle Ausstattung des Artenschutzkonzepts müsse langfristig gesichert werden. Vor allem aber müsse dagegen vorgegangen werden, dass das für die Wiesen geltende Betretungsverbot rigoros ignoriert werde. Schulklassen machten Exkursionen, Hochzeitsgesellschaften Fotos, Jugendliche Partys und Hunde ihre Geschäfte. Die Polizei habe seiner Erfahrung nach keine Kapazitäten, um sich um solche Dinge zu kümmern, sagte Wolfgang Feldner und forderte, dass der Feldschutz Präsenz zeigt. Für den Naturschützer gilt: „Keine Leute in der Fläche, die keine Ahnung haben.“

Für Praktiker seien die Gelben Bänder ein rotes Tuch

Darum ist Wolfgang Feldner auch gegen die sogenannten Gelben Bänder. Mit ihnen können die Besitzer von Streuobstwiesen ihre Bäume markieren, wenn sie die Früchte nicht selbst verwerten wollen. Die Bäume sind dann freigegeben. Die preisgekrönte Initiative ist vor allem im Landkreis Esslingen verbreitet. Doch Wolfgang Feldner sagte: „Das ist nur eine politische Kampagne. Für uns als Praktiker sind diese Gelben Bänder ein rotes Tuch.“ Die Gefahr, dass Fremde die Bäume kaputtmachten, sei zu groß. Auch gebe es keine Garantie, dass dann wirklich nur die mit den Bändern markierten Bäume abgeerntet werden, und nicht auch noch links und rechts davon gepflückt oder aufgelesen werde. Und ohnehin sehe er keinerlei Hinweise dafür, dass die Initiative wirklich funktioniere. Die meist privaten Streuobstwiesenbesitzer hätten gar kein Interesse an den Gelben Bändern, so seine Meinung.

Auch die Stuttgarter Verwaltung sieht die Gelben Bänder kritisch: „Das ist ein heikles Thema“, sagte Jochen Berger von der Streuobstfachstelle. In Stuttgart seien ohnehin die meisten städtischen Streuobstwiesenflächen verpachtet. Was die Abernte städtischer Obstbäume betreffe, könne man Kontakt mit dem Gartenamt aufnehmen. „Dann wissen wir, wer da pflückt“, sagte Jochen Berger. Darüber hinaus verwies er auf die Internetseite www.streuobstwiesenboerse.de, eine kostenlose Internetplattform für Anzeigen rund um die süßen Früchte.