Neue Reptilien-Wohnlage mit Aussicht: Im unteren Teil der Grünanlage am Bismarckturm wird eine große Fläche für Eidechsen umgestaltet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wann immer in der Stadt Eidechsen umgesiedelt werden, löst das heftige Reaktionen aus. Jetzt soll in der Parkanlage südlich des Bismarckturms ein neues Habitat entstehen. Dafür werden Bäume gefällt, Sträucher gerodet und Trockenmauern errichtet.

Stuttgart - Auf dem Killesberg herrscht Alarmstimmung. „Wollen die uns jetzt noch mehr Steinhügel hinschütten?“, fragt ein besorgter Anwohner. Seit vorletztem Sommer haben etwa 3200 Mauereidechsen von den Stuttgart-21-Baustellen im Neckartal ein neues Zuhause unweit des Bismarckturms gefunden. Auf der nördlichen Seite, direkt angrenzend ans Landschaftsschutzgebiet Feuerbacher Heide, verzieren seither zahlreiche hoch umstrittene Steinwälle die Landschaft. Und jetzt meldet die Stadt unter dem harmlos klingenden Titel „Baumfällung in der Grünanlage Am Bismarckturm“, dass weitere Tiere in den Stuttgarter Norden ziehen sollen. „Geht es jetzt mit den Baumaßnahmen weiter?“, fragen sich gleich mehrere Nachbarn dort.

Die Antwort lautet: jein. Tatsächlich wird es an der Feuerbacher Heide keine neuen Wälle geben. Dafür ist diesmal die andere Seite des Geländes dran, der Südhang zur Innenstadt hin. Im unteren Viertel der Parkanlage am Bismarckturm mit dem geschlängelten Weg soll eine bisher unbezifferte Zahl an Tieren in ein neues Habitat ziehen.

Auch die Schüler müssen für rund drei Jahre ausziehen

Sie stammen nicht von Stuttgart-21-Baustellen, sondern vom nahe gelegenen Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Dort werden seit Jahren eine umfangreiche Erweiterung und eine Sanierung des altehrwürdigen Schulgebäudes inklusive Neugestaltung der Außenflächen geplant. Nach einigen Verzögerungen könnte es nun wohl im Sommer los gehen. Dann müssen die Schüler für rund drei Jahre ausziehen – und mit ihnen die auf dem Gelände lebenden streng geschützten Mauereidechsen. Um dem Artenschutz gerecht zu werden, braucht es für die Tiere eine Ausweichfläche, die es in Stuttgart laut städtischem Gutachten eigentlich gar nicht mehr gibt.

Und doch sind die Planer jetzt fündig geworden. Nicht weit vom Gymnasium entfernt soll nun der unterste Abschnitt der Grünanlage am Bismarckturm umgestaltet werden. „Ertüchtigt“ heißt das im Verwaltungsdeutsch. Und zwar in großem Stil. „Der artenschutzrechtliche Ausnahmeantrag an das Regierungspräsidium wurde nicht auf Basis der Individuenzahl an Mauereidechsen, sondern auf Basis der Größe der Habitatsfläche, die durch den Bau des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums verloren geht, erstellt“, sagt Rathaussprecher Martin Thronberens.

Die Baumaßnahmen setzen eine kuriose Kettenreaktion in Gang

Und die ist ordentlich. 1200 Quadratmeter werden im Park an der Robert-Bosch-Straße für Eidechsen hergerichtet. Dafür werden Sträucher und drei größere Bäume gefällt, von denen laut Stadt aber zwei schon geschädigt sind. Als Sonnenplatz und Versteck für die Tiere will man 80 Zentimeter hohe Trockenmauern errichten. „Sie fügen sich landschaftlich gut ein“, sagt Thronberens. Die Fläche werde zudem aufgewertet durch eine heimische, insektenfreundliche Wiesenmischung. Sie trägt den hübschen Namen „Süddeutscher Schmetterlings- und Wildbienensaum“. All das kostet 130 000 Euro.

Die Baumaßnahmen am Gymnasium setzen dabei eine kuriose Kettenreaktion in Gang. Als Ersatz für die Eidechsenflächen dort werden die Bäume und Büsche im Park gefällt. Für die Bäume muss es drei Ersatzpflanzungen geben. Für die ist weder am Schulstandort noch im Park ein geeigneter Standort vorhanden. Also wird es demnächst drei neue Robinien an der Konrad-Adenauer-Straße geben. Dort sollen sie die vorhandene Allee fortführen. Alles zum Wohle der Mauereidechsen.