Die Zahl der Dorngrasmücken hat in Baden-Württemberg zugenommen. Damit ist sie eine große Ausnahme. Foto: Kathy Büscher/ NABU

Der Naturschutzbund hat erstmals Gesamtergebnisse aus seinem langjährigen Monitoring der häufigsten Brutvögelarten in Baden-Württemberg vorgestellt. Insgesamt sinkt die Zahl der Individuen – aber einige Arten nehmen auch moderat zu.

Der Gesang der Dorngrasmücke hört sich rau an, ihr Gefieder ist eher unauffällig weiß und braun – aber beim Fliegen ist der kleine Vogel bärenstark, bis weit über die Sahara hinaus zieht er in seine Winterquartiere.

 

Wenn man so will, ist die Dorngrasmücke nun die Lichtgestalt und Hoffnungsträgerin des Langzeitmonitorings des Nabu geworden. Denn als einzige unter den 40 ausgewerteten Brutvögelarten hat sie in Baden-Württemberg (und in Bayern) stark zugenommen, während ihr Bestand bundesweit stabil geblieben ist. „Das scheint also ein südliches Phänomen zu sein“, sagt Christine Mödinger vom Nabu-Vogelschutzzentrum in Mössingen, die die Auswertung geleitet hat: „Die Ursachen sind aber bislang nicht bekannt. Das zu untersuchen, wäre der logische nächste Schritt.“

Insgesamt nimmt der Bestand an Brutvögeln moderat ab

Schon seit 1992 gibt es im Südwesten eine kontinuierliche Beobachtung und Zählung der Brutvögel, 2004 startete das bundesweit einheitliche „Monitoring häufiger Brutvögel“. Nun haben Mödinger und ihre Kollegen erstmals die Daten für die Jahre von 1999 bis 2022 bezogen auf Baden-Württemberg ausgewertet.

Der Gesamttrend ist „moderat abnehmend“. Das bedeutet, dass im genannten Zeitraum die Zahl der Tiere um ein bis drei Prozent pro Jahr gesunken ist. Verhalten positiv ist aber dennoch: Die Abwärtsspirale war vor allem bis 2010 zu beobachten, seither stabilisiert sich der Bestand.

Betrachtet man die einzelnen Arten, so ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Bei 16 Arten zeigt der Trend nach unten, stark vor allem bei Grünfink, Girlitz, Wintergoldhähnchen, Wacholderdrossel und Feldsperling. Schon seit 20 Jahren und damit doppelt so lange als auf Bundesebene verschwinden immer mehr Feldsperlinge aus der Landschaft. Derzeit laufe ein Forschungsprojekt, so Mödinger, um die Ursachen zu finden: „Im Verdacht stehen Krankheiten unter Vögeln sowie Neonicotinoide“, also Spritzmittel in der Landwirtschaft.

Stabil geblieben sind zwölf der 40 untersuchten Arten, etwa Kohlmeise, Star, Rotkehlchen oder Kleiber. Bei zwölf weiteren Arten erhöhten sich die Bestände sogar, stark allerdings wie gesagt nur bei der Dorngrasmücke. Zu den erfreulicherweise zunehmenden Arten gehören etwa der Haussperling, die Blaumeise, der Buntspecht, die Elster oder der Stieglitz.

Ein Feldsperling Foto: Winfried Rusch/Nabu

Den Grund zu erkennen, weshalb die eine Art wieder besser zurechtkommt und eine andere nicht, sei sehr schwierig, betonen die Autoren des Monitoringberichts, der jetzt im Jahrbuch der Ornithologischen Gesellschaft Baden-Württemberg veröffentlicht worden ist. Einen großen Einfluss dürfte der Rückgang der Insekten haben, denn 80 Prozent der heimischen Brutvögel sind auf tierische Nahrung angewiesen.

Auch Spritzmittel oder gebeiztes Saatgut können den Vögeln zusetzen. Die höheren Temperaturen durch den Klimawandel spielen eine Rolle. Und der Verlust des Lebensraums trägt ebenfalls zum Rückgang vieler Arten bei. Gerade Vögel des Offenlandes, wie Feldlerche, Feldsperling oder Rebhuhn, nehmen seit Jahrzehnten dramatisch ab, weil die Flur immer stärker ausgeräumt oder landwirtschaftlich genutzt wird.

Tatsächlich können aber auch Krankheiten eine Art stark dezimieren, wie es bei der Amsel der Fall war. Der Usutu-Virus hat in den 2010er Jahren viele Tiere getötet, dann gab es es Erholung. Seit 2022 werde aber eine erneute Häufung von Usutu-Nachweisen dokumentiert, heißt es im Bericht. Auch die Blaumeise hatte 2020 mit einer Krankheit, ausgelöst durch ein Bakterium, zu kämpfen. Der Spezies geht es aber seither wieder besser.

Noch immer werden Kartierer gesucht

Insgesamt stellt Christine Mödinger fest, dass sich jene Vogelarten, die nicht einseitig auf Wald, Offenland oder Siedlungsgebiete spezialisiert sind, leichter tun. Wer sich also beispielsweise nicht nur auf Wälder beschränkt, sondern auch in Parks und Gärten nach Nahrung sucht, wie das Sommergoldhähnchen, ist unempfindlicher gegen negative Einflüsse. Mödinger: „Steigende Zahlen verzeichnen Arten mit breitem Nahrungs- und Habitatspektrum, die sich an urbane Lebensräume anpassen können, wie die Ringeltaube und die Elster.“ Überhaupt gebe es eine Tendenz zur „Verstädterung“ – Arten wie die Amsel, der Zaunkönig oder der Buntspecht seien immer häufiger auch innerhalb von Ortschaften anzutreffen.

Die Fläche Baden-Württembergs ist für das Monitoring in 400 Bezirke aufgeteilt, in denen systematisch gesucht wird. Oder vielmehr könnte: Denn lange fanden sich nicht einmal für die Hälfte der Bezirke Ehrenamtliche, die gewillt und in der Lage waren, die meisten häufigen Vogelarten nach ihrem Aussehen und ihrem Rufen zu bestimmen. Seit 2018 schießt das Land Geld zu, sodass jetzt auch rund 100 hauptamtliche Kartierer unterwegs sind. 72 Probeflächen sind aber weiterhin zu vergeben.