Der Franzose Philippe macht sich bereit, auf dem Partyschiff Umarmungen zu verteilen: Auch er weiß, welchen Umschwung für Schwule vor 50 Jahren die Stonewall-Unruhen brachten. Foto: ZDF/Gebrüder Beetz

Arte huldigt den Stonewall-Unruhen 1969 in New York, aus denen die moderne Schwulenbewegung entstand. Promis erzählen, was ihnen der Kampf von damals heute bedeutet. Und ein Film über eine Party auf See zeigt die erstrittenen Freiheiten.

Stuttgart - Von einem Moment zum anderen kann die Welt sich ändern – oder jedenfalls, die Art, wie wir sie sehen. Der nach Hollywood verzogene deutsche Regisseur Roland Emmerich hat damit Erfahrung. 1996 hat er im Blockbuster „Independence Day“ aggressive Aliens das Weiße Haus in Washington sprengen lassen. Damals hat kaum jemand begriffen, wie ernst dieses Bild der zu Hause verwundbaren Supermacht zu nehmen war. Emmerich nahm die Zukunft vorweg, die entführten Flugzeuge, die dann am 11. September 2001 ins World Trade Center und ins Pentagon gelenkt wurden. Später hat Emmerich einen anderen, heilsameren Bewusstseinswandel in Bilder gebracht, im von der Kritik zu Unrecht zerfetzten Spielfilm „Stonewall“. Der erzählt von Unruhen im New York des Jahres 1969, einem Zündfunken des Gleichberechtigungskampfes von Schwulen und Lesben.

Schikanen und Kampfeswille

Arte zeigt im Rahmen eines Themenabends zwar nicht Emmerichs „Stonewall“, dafür aber André Schäfers Dokumentarfilm „50 Jahre nach Stonewall“. Der schildert noch einmal, wie eine schikanöse Polizeirazzia in einer Bar zur Straßendemo von Schwulen, Lesben, Trans- und Bisexuellen führte, wie diese Konfrontation der Mehrheitsgesellschaft mit dem verhassten Vorhandensein anderer Lebensmodelle zum üblichen Knüppeleinsatz führte – und wie Gewalt diesmal nicht das Auseinanderlaufen der Unerwünschten zur Folge hatte, sondern nicht mehr erstickbaren Kampfeswillen: der Christopher Street Day entstand.

„50 Jahre nach Stonewall“ verharrt aber nicht im Rückblick, sondern befragt Zeitgenossen, was ihnen das Ereignis heute noch bedeutet, unter anderem Rufus Wainwright, Carolin Emcke und Claudia Roth. Man lernt dabei einiges über die Bedeutung von Bildern, über die Formung von Mythen, über die Schärfung von Gedanken, Haltungen und Positionen am Wetzstahl bestimmter Ereignisse.

Auf dem Traumschiff

Im Anschluss an Schäfers Doku läuft um 22.50 Uhr ein Porträt jener Art Offenheit, von der die Stonewall-Aktivisten träumten: „Dream Boat“ von Tristan Ferland Milewski führt auf eine Kreuzfahrt für schwule Männer – eine rauschende 7-Tage-Party, wie sich viele vorab erhoffen. Interessanterweise zeigt diese Doku aber dreierlei: die stolze, selbstbewusste Gemeinschaft jener, die ihre Rechte bereits verinnerlicht hat; Flüchtlinge aus repressiven Systemen, die endlich eine erträumte Freiheit erleben; die individuellen Brüche und Fehlschläge des Glücksmodells.

Mancher kann das Schiff als Bühne seiner Selbstdarstellung optimal nutzen. Andere kommen mit Hoffnungen, die sich nicht erfüllen: So einsam wie hier, sagt einer mitten im Trubel der Pärchen, habe er sich noch nie gefühlt.

Ausstrahlung: Arte, ab 21.45 Uhr