Der Brite Robert Fisk will bei Kriegen und Krisen selbst vor Ort sein und nicht auf Hörensagen vertrauen. Foto: Arte/Duraid al-Munajim

Der Dokumentarfilm „An vorderster Front – Die Wahrheiten des Robert Fisk“ auf Arte porträtiert einen streitbaren, unbequemen Journalisten. Der britische Nahost-Korrespondent zweifelt am Recht des Westens, in Syrien militärisch einzugreifen.

Stuttgart - Mit eigenen Augen kommt man der Wahrheit am nächsten.“ So lautet einer der Leitsätze des in Beirut lebenden britischen Journalisten Robert Fisk. Er predigt das nicht nur, er lebt es auch, so wie ein anderes Credo: : „Man muss immer die Obrigkeit in Frage stellen“. Der für den „Independent“ schreibende Korrespondent blickt für den Westen unter anderem auf Israel, Syrien, Afghanistan– aber seine Geschichten decken sich selten mit dem, was westliche Regierungen als gesicherte Fakten über diese Länder verbreiten.

Der Dokumentarfilm „An vorderster Front – Die Wahrheiten des Robert Fisk“ des Kanadiers Yung Chang begleitet den mittlerweile 73-jährigen bei seiner Arbeit und zeigt auch Filmaufnahmen von früheren Recherchen des immer wieder mal als Propagandist und Werkzeug dunkler Mächte Geschmähten. So wird schnell klar: Fisk übertreibt nicht, er geht tatsächlich dorthin, wo es riskant wird.

Arbeit mit hohem Risiko

Das müssen nicht unbedingt Straßenzüge sein, um die gerade gekämpft wird, Obwohl man ihn hier auch mal vor Granatwerferbeschuss fliehen sieht. Fisk reist etwa nach Kroatien, weil er im syrischen Bürgerkrieg Waffen aus europäischer Produktion findet – in Händen islamistischer Aufständischer. Er hegt den Verdacht, dass die Waffen mit einer ganz legalen Endverbleiberklärung an Saudi-Arabien gingen, und dass die Saudis sie weitergeschleust haben – unter, so vermutet der streitbare Journalist, dem wissenden Wegschauen von Staaten des Westens.

So trifft Fisk nun in Kroatien vermutlich auf Waffenschieber, die er aber als legale Lieferanten ansprechen muss, von denen er lediglich eine Bestätigung will, dass die Waffen in Syrien ursprünglich nach Saudi-Arabien gingen. Er hat ein Kamerateam bei sich, was die Hemmschwelle für Gewalt gewiss erhöht. Aber was die Kamera dann im Chefbüro der schäbigen Fabrik zeigt, ist mehr als gruselig: Einen bulligen Kerl von falscher Ahnungslosigkeit, der mit Schulterzucken, stieren Blicken und erhellenden Auskünften wie „Keine Ahnung, ich bin noch nicht lange hier“ antwortet. Wie ein Manager wirkt er überhaupt nicht, und man fragt sich, wie oft Fisk schon Menschen gegenüber gesessen haben mag, die vielleicht gerade abwägen, ob das Verschwindenlassen ihres Befragers nicht die für sie opportunste Variante des Interviews wäre.

Was Osama bin Laden denkt

Fisk steht zum Existenzrecht Israels, aber er ist bemüht, Kriegsverbrechen der israelischen Armee nachzuweisen und prangert die Siedlungspolitik als Kolonialismus auf dem Rücken der Palästinenser an. Er hält Islamisten für engstirnig und gefährlich, aber er ist der einzige westliche Journalist, der Osama bin Laden, gleich mehrfach zu Interviews getroffen hat, um von dem Mann selbst zu hören, was er denkt. Er ist kein Freund des syrischen Regimes, aber er bezweifelt das Recht des Auslands, sich in der Region militärisch einzumischen. Als Berichte über einen Gasangriff von Assads Truppen in Duma um die Welt gehen, berichtet Fisk, dass die Bilder möglicherweise Opfer zeigen, die in Häuserkellern bei einem konventionellen Bombenangriff an Staub erstickt sind. Man wirft ihm vor, er habe sich instrumentalisieren lassen. Er hält dagegen, er habe sich schlicht vor Ort umgeschaut und umgehört,

Dass Fisk für manche ein gutes Feindbild angibt, wird nicht dadurch gelindert, dass der Mann selbst absolute journalistische Neutralität Quatsch nennt. Ein Journalist müsse für die Leidenden Partei nehmen, sagt er. Und so zeigt „An vorderster Front“ beides: wie nötig wir Reporter wie Robert Fisk haben, die nicht vom Hotelzimmer aus vom Hörensagen berichten, und wie sorgfältig wir das, was sie uns erzählen, zweimal überdenken müssen. Das ist etwas ganz anderes als in der Filterblase etwa von Facebook zu feiern und weiterzuverbreiten, was gerade ins eigenen Weltbild passt. Gegen Facebook ist Fisk übrigens auch, eben wegen der Offenheit für Lügen, Gerüchte und Propaganda.

Ausstrahlung: Arte, 18. Februar 2020, 22 Uhr. Von 17. bis 24. Februar 2020 auch in der Mediathek des Senders.