Zum Selbstverständnis von Nonnen gehört der bedingungslose Gehorsam – manche Priester nutzen das aus. Foto: Arte

In erschütternden Dokumentarfilm „Gottes missbrauchte Dienerinnen“ auf Arte erzählen ehemalige Nonnen von sexuellen Übergriffen durch Priester. Die Kirchenoberen schauten meist weg.

Stuttgart - Klostermauern, Stadtstraßen rund um den Vatikan, sakrale Innenräume, Menschen an Schreibtischen im Halbdunkel, Menschen hinter Holzgittern in Beichtstühlen: Man denkt bei den Bildern des französischen Dokumentarfilms „Gottes missbrauchte Dienerinnen“, der das Ausmaß und die Systematik sexueller Übergriffe von Priestern auf Ordensfrauen zu vermitteln versucht, wohl nicht an den Wald. Und doch erklärt ein menschlicher Fehler im Umgang mit der Natur die Haltung der katholischen Kirche.

Werden Wälder von Menschen zu konsequent vor Bränden geschützt, sammelt sich das Totholz zu einer ungeheuren Brandlast an. Von nun an könnte jeder Funke das Ökosystem tatsächlich vernichten. Möglicherweise gibt es im Vatikan eine ungute Allianz aus Leugnern und Aufklärungswilligen, die ihre Kirche aus ganz unterschiedlichen Perspektiven als brennbaren Bau voller Zunder sehen. „Gottes missbrauchte Dienerinnen“ legt jedenfalls nahe, dass so vieles so lange ignoriert wurde, dass sich offene Aufklärung durchaus zu einem nicht mehr kontrollierbaren Brand entwickeln könnte.

Kein Gehör für Leidende

Die Kirche wiederholt jedenfalls stur jene Politik des Verschweigens, des Zauderns und des fruchtlosen internen Ermahnens, die schon beim Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nur zu noch mehr Leid und zu einer großen Vertrauenskrise geführt hat.

Die Regisseure Eric Quintin und Marie-Pierre Raimbault haben mit Frauen gesprochen, die lange innerhalb der Kirche Gehör für ihr Leiden gesucht hatten. Bestenfalls hat man interne Entschuldigungszeremonien abgehalten, wenn die Vernetzung von Opfern ein und desselben Gewohnheitstäters zu bedrohlich wurde. An die Strafverfolgungsbehörden hat man sich nie gewandt. Man hat nicht einmal dafür gesorgt, dass schwer Belastete nicht weiterhin ihre Autorität gegenüber auf Gehorsam gedrillten Ordensschwestern missbrauchen konnten.

Angeblich die Liebe Christi

Die Zeugenaussagen in dieser Dokumentation bringen Perfides und Kriminelles zutage, Psychotricks und klare Verbrechen. Priester erklären jungen Nonnen, ihre körperlichen Übergriffe seien ihnen im Gebet von Jesus aufgetragen worden, denn den Nonnen solle die Liebe Christi körperlich erfahrbar werden. Immer wieder kommt es zu Schwangerschaften. In mehr als einem Fall wurden Nonnen zur Abtreibung genötigt.

Eine missbrauchte junge Frau kann hier in schlichten Worten klarmachen, welche idealen Opfer übergriffige Priester an Nonnen haben: „In meiner Rolle war das normal, dass ich Sachen aushalten musste, die ich nicht wollte. Das hat zum Gehorsam dazugehört. Dass ich Sachen getan habe, die ich nicht verstanden habe, dass ich Sachen getan habe, die für mich schmerzhaft waren, das war alles normal.“

Ausstrahlung: Arte, Dienstag, 5. März 2019, 20.15 Uhr. In der Mediathek des Senders bis 4. Mai 2019 abrufbar.