Die Waiblinger Künstlergruppe „Art U Zehn“ gestaltet aus Tapeten Gemälde. Vom 30. Januar an sind sie unter dem Titel „Gebannt – Gebahnt; Am Stück oder geschnitten? “ im Kameralamt zu sehen. Besucher dürfen aus den gut vier Meter langen Bahnen ihr Wunschbild schneiden lassen.
Waiblingen - Eine historische Scheune in Waiblingen-Neustadt ist ihre Projektschmiede und ihr Namensgeber, das Kameralamt in der Waiblinger Altstadt ihre Galerie auf Zeit. Im Moment erinnert der Ort, an dem die knapp 20 Mitglieder der Künstlergruppe Art U Zehn vom 30. Januar an ihre aktuellen Werke ausstellen (siehe „Kunst im Kameralamt“), allerdings ein bisschen an eine Aktion des Verhüllungskünstlers Christo – oder schlicht an eine Wohnung, die gründlich renoviert wird.
Die gut vier Meter hohen Wände und die Stützpfeiler im Raum sind zum Schutz vor Farbspritzern komplett in Plastikfolie verpackt, jeder Quadratzentimeter Boden mit Bahnen aus dickem, grauem Malervlies bedeckt. Dient doch das Kameralamt den Künstlern von Art U Zehn nicht nur als Ausstellungsort, sondern für drei Monate als Atelier, in dem gemeinsam gearbeitet wird. Mal herrscht hier konzentrierte Stille, mal wird geschwätzt, diskutiert und gelacht. „Der Austausch gehört dazu“, sagt Ursula Schäfer, „oder jemand, der einem über die Schulter schaut und sagt: Stopp, jetzt bist du fertig.“
„Wir tapezieren das Kameralamt“
„Wir tapezieren das Kameralamt“ – mit diesem Plan für die heuer bereits fünfte Ausstellung der Gruppe hat Michael Schäfer im vergangenen Jahr seine Künstlerkolleginnen und -kollegen überrascht. Der Vorschlag löste lebhafte Diskussionen aus. Was für ein Format! „Zuerst haben alle geschrien: Oh je, wie geht denn das?“ erinnert sich Ursula Schäfer und lacht. Denn natürlich kleistert Art U Zehn die 4,20 Meter langen, weißen Tapetenbahnen nicht nur an die Wand, sondern verwandelt sie erst in Kunstwerke mit den Maßen 1 x 4,20 Meter, die dann vor die Wand gehängt werden.
Weil kaum ein Mensch genügend Platz hat, um solche Riesengemälde aufzuhängen, kam der Gruppe eine Idee: Während der Ausstellungszeit dürfen Besucher sich ihren mindestens 1 x 1 Meter großen Lieblingsabschnitt von einer Tapetenbahn aussuchen, der für sie markiert wird. Nach dem Ende der Ausstellung werden die Bahnen wunschgemäß zugeschnitten und an ihre neuen Besitzer übergeben. Gemälde als Meterware, wobei die Künstlergruppe den Preis noch nicht festgelegt hat.
Auf die anfänglichen Zweifel, ob solch ein Format zu bewältigen ist, folgte nach und nach die Erkenntnis, dass neue Dimensionen durchaus befreiend wirken können. Und als Ausgleich für die strengen Größenvorgaben dürfen sich die Kreativen in Sachen Motivwahl nach Lust und Laune austoben. „Wir haben uns aber schon ein bisschen abgesprochen, damit nicht jeder eine Giraffe oder den Eiffelturm malt“, sagt Margarete Laible und lacht.
Klobürste statt Pinsel
Inzwischen sind gut 40 Bahnen fertig und noch ist weder eine Giraffe noch der Eiffelturm darunter. Wohl aber eine verblüffende Vielfalt an Motiven, Farben und Themen, von (Selbst-) Porträts und Landschaften bis zu Arbeiten, die Hunger, Krieg, und Flucht zeigen, Von abstrakt bis realistisch reicht die Palette. Dass man aus dem Schauen kaum mehr herauskommt, sei eigentlich kein Wunder, sagt Linda Kauffmann mit einem Augenzwinkern: „Wir sind halt alle irgendwie genial.“ Alleine daheim malen sei nicht so ihre Sache, sagt Kauffmann. „Wenn ich hier bin, dann gelingen mir Dinge, die mir alleine zuhause nicht gelingen würden“, sagt die Frau im blauen Overall. Die Kreativität zeigt sich auch beim Werkzeug: Statt eines Pinsels verwendet Linda Kauffmann ein gut zwei Meter langes Bambusrohr, an dessen einem Ende sie eine Malerwalze, am anderen eine Klobürste befestigt hat. Diese Mal gilt eben die Devise: alles ein bisschen größer.
Gemalt wird mit Acrylfarben – Ölfarben würden die Tapetenbahnen viel zu schwer werden lassen, sagt Ursula Schäfer. Die Arbeit auf dem Fußboden ist für die Künstler ungewohnt und anstrengend. „Da spürt man irgendwann den Rücken“, sagt Michael Schäfer. Nur ein Vorgeschmack, auf das, was nach dem Ende der Ausstellung kommt: „Der Herzschmerz, der kommt noch beim Auseinanderschneiden.“
Kunst im Kameralamt
Gruppe
Art U Zehn ist eine Künstlergemeinschaft, die aus Kursen der Kunstschule Unteres Remstal entstanden ist. Ihr Name geht auf die Adresse einer Scheune in Waiblingen-Neustadt zurück, in der sich die Gruppe oft trifft: Unterdorf 10.
Vernissage
„Gebannt – Gebahnt; Am Stück oder geschnitten?“ wird am 30. Januar im Kameralamt, Lange Straße 40, eröffnet. Los geht es um 14 Uhr mit Grußworten und Musik von Helm Zirkelbach und Polle Pollreiß.
Ausstellung
Bis zum 7. Februar ist die Ausstellung samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr, mittwochs von 10 bis 14 Uhr geöffnet.